Woran arbeiten Sie aktuell—und was reizt oder fordert Sie daran besonders?
Aktuell arbeite ich an ›Soft Power‹, einer ortsspezifischen, immersiven Sound-Installation. Ich freue mich sehr, dieses besondere Projekt während der Berlin Art Week zu präsentieren. Das Projekt verbindet Klangkunst, feministische Erinnerungskultur und rituelle Praxis zu einem sinnlich-politischen Erfahrungsraum. Im Zentrum stehen persische Amphoren aus dem 16. bis 19. Jahrhundert—neu interpretiert als Trägerinnen kollektiver Erinnerungen und weiblicher Resilienz. Sie treten in Dialog mit floralen Interventionen und einer eigens entwickelten 360°-Klangkomposition.
›Soft Power‹ wurde anlässlich der iranischen Frauenrechtsbewegung ›Frau, Leben, Freiheit‹ konzipiert—als künstlerisch-kuratorische Antwort auf deren transnationale Wirkung. Die Arbeit fragt, wie Kunst Anteilnahme, Widerstand und Heilung erfahrbar machen kann, jenseits linearer Narrative oder musealer Distanz.
Mich reizt besonders, mit diesem Projekt neue Wege als Galeristin und Kuratorin zu gehen. Das Projekt löst sich vom klassischen Ausstellungsformat und erprobt neue Formen der kollektiven Autor*innenschaft und kuratorischen Verantwortung.
Das Projekt ist für mich auch eine Weiterentwicklung des Galeriebegriffs: eine bewusste Öffnung hin zu installativen, partizipativen Formaten, die gesellschaftliche Relevanz nicht nur abbilden, sondern aktiv mitgestalten. Die Kooperation mit dem Haus der Visionäre—an der Schnittstelle von Clubkultur und Kunst—erweitert dabei nicht nur das Publikum, sondern auch die konzeptuelle Reichweite des Projekts.
›Soft Power‹ ist eine Einladung, Galeriearbeit neu zu denken: als politisch-poetische Praxis, die nicht nur ausstellt, sondern gesellschaftliche Prozesse aktiv mitgestaltet.
Gibt es ein tägliches Ritual, das Ihnen Struktur oder Inspiration gibt?
Morgens mache ich Yoga, einfache Atemübungen und meditiere. Es hilft mir, den Tag positiv zu beginnen. Abends lese ich vor dem Schlafengehen. Diese beiden Routinen tun mir gut, sie geben meinem Tag Struktur und kreative Inspiration.
Welche Musik begleitet Sie, wenn Sie sich fokussieren oder in Ihr kreatives Schaffen zurückfinden möchten
Aktuell begleitet mich vor allem klassische oder elektronische Musik. Je nach Stimmung und Fokus höre ich etwa Bach oder Debussy, aber auch Deep, Jazzy, Dubby Underground House Sets, etwa von Lakuti, Galcher Lustwerk oder DJ Dustin. Musik spielt eine zentrale Rolle in meinem kreativen Prozess. Sie hilft mir, Emotionen zu regulieren, Erlebtes zu verarbeiten, aber auch Kraft und innere Ruhe zu finden.
Gab es ein Buch, das Ihre Sichtweise nachhaltig verändert hat—und warum würden Sie es weiterempfehlen?
Zwei Bücher, die meine Perspektive in den letzten Jahren nachhaltig erweitert haben, sind ›Anfänge. Eine neue Geschichte der Menschheit‹ von David Graeber und David Wengrow sowie ›How to Change Your Mind‹ von Michael Pollan.
›Anfänge‹ hat mir auf radikale Weise vor Augen geführt, wie einseitig und vereinfachend viele gängige Narrative über die Entwicklung der Menschheit sind. Das Buch dekonstruiert die Idee, dass Fortschritt zwangsläufig mit Hierarchie und Unterwerfung einhergeht und öffnet damit den Blick auf alternative Formen des Zusammenlebens, die historisch erprobt wurden, aber oft verdrängt sind. Es ist ein Buch, das Denken befreit.
Michael Pollans ›How to Change Your Mind‹ hingegen berührt auf einer anderen Ebene: Es ist eine kluge und persönliche Auseinandersetzung mit psychedelischen Substanzen und ihrem Potenzial für therapeutische, spirituelle und kreative Prozesse. Für mich war es inspirierend, wie offen und zugleich wissenschaftlich präzise Pollan über veränderte Bewusstseinszustände schreibt und was das für unsere Vorstellung von Heilung, Wahrnehmung und Selbsterkenntnis bedeuten kann. Beide Bücher fordern dazu auf, eingefahrene Denkweisen zu hinterfragen.
Welches Kunstwerk hätten Sie gern bei sich zu Hause?
Wenn ich träumen darf: ›Der Garten der Lüste‹ von Hieronymus Bosch. Ein Werk voller Rätsel, Symbolik und radikaler Fantasie. Zwischen Paradies, Ekstase und Abgrund. Dieses Bild fasziniert mich schon seit meiner Kindheit.
Welcher Ausstellungsort in Berlin inspiriert Sie?
Mich inspiriert die James‑Simon‑Galerie durch ihre klare architektonische Sprache und ihre programmatische Ausrichtung. Das Gebäude von David Chipperfield schafft eine beeindruckende Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart.
In den letzten Jahren hat die Galerie bedeutende Ausstellungen gezeigt, etwa ›Iran. Kunst und Kultur aus fünf Jahrtausenden‹ oder ›Threads of Egyptian Life‹, Teppiche aus dem Ramses Wissa Wassef Art Center. Was ich toll finde, ist die Verbindung von globaler Perspektive, historischen Narrativen und sensibler Kuratierung.
Ein weiterer Ort, den ich sehr schätze, ist das Haus der Kulturen der Welt—Treffpunkt für zeitgenössische Kunst, politische Debatten und performative Formate aus der ganzen Welt. Als architektonisches Wahrzeichen, wegen seines geschwungenen Dachs auch bekannt als ›Schwangere Auster‹, ist es ein Ort für transnationale, kritische Kulturproduktion.
Inspiriert haben mich zuletzt das Sonic Pluriverse Festival: Bass Cultures, bei dem Musik, Klang, Diskussion und Performance global vernetzt wurden, sowie das Forschungsprojekt ›Global Fascisms‹, das Themen zum Aufstieg rechter Bewegungen mit künstlerischen, archivarischen und diskursiven Formaten verbindet. Programmatisch relevant und politisch hoch aktuell.
Gibt es einen Gegenstand, der Sie begleitet und ein Stück Ihrer Identität widerspiegelt?
Mich begleitet eine goldene Kette mit einem Anhänger, der Ahura Mazda symbolisiert, oft dargestellt als Faravahar. Es handelt sich dabei um ein geflügeltes Symbol, repräsentiert auch den Aufstieg der Seele und die Vereinigung von guten Gedanken, Worten und Taten. Dieses Symbol stammt aus dem Zoroastrismus, der altpersischen Philosophie und Religion und steht für Weisheit, Licht und das Gute. Es erinnert mich täglich an meine kulturellen Wurzeln und an das Ideal, Gedanken, Worte und Taten in Einklang zu bringen.
Was motiviert Sie, auch in Momenten des Zweifelns weiterzumachen?
Zweifel gehören für mich unweigerlich zur kreativen Arbeit. Sie sind kein Zeichen von Schwäche, sondern Teil eines ernsthaften, reflektierten Prozesses. Ich habe oft den Eindruck, dass insbesondere Frauen sich häufiger und tiefer hinterfragen—vielleicht, weil ihnen von außen häufiger mit Skepsis begegnet wird. In meinem Fall führt es eher dazu, klarer zu sehen: Was ist wirklich mein Anliegen? Was ist die Essenz?
Was mich dann weitermachen lässt, ist die Überzeugung, dass künstlerische und kuratorische Arbeit Resonanz erzeugen kann. Dass sie Räume schafft für Reflektion, Verbindung und Wandel. Wenn ich spüre, dass Menschen sich durch eine Ausstellung oder ein Gespräch gesehen oder berührt fühlen, dann relativieren sich die Zweifel. Dann weiß ich wieder, warum ich das tue.
Mit welcher Persönlichkeit würden Sie gern ein Gespräch führen—und worüber würden Sie sprechen?
Ich würde gerne mit der iranischen Dichterin und Filmemacherin Forough Farrokhzad sprechen. Ihr Werk und ihr Lebensweg sind für mich bis heute eine Quelle der Inspiration. In einer Zeit gesellschaftlicher Repression hat sie weibliche Selbstermächtigung, Sinnlichkeit und künstlerische Freiheit radikal und poetisch artikuliert. Ich würde sie fragen, was sie heute über die aktuelle Bewegung ›Woman, Life, Freedom‹ denkt—und darüber sprechen, wie Kunst Räume für Widerstand, Erinnerung und Transformation eröffnen kann.
Worauf freuen Sie sich, wenn ein Arbeitstag zu Ende geht?
Ich freue mich darauf, abends ein paar Platten aufzulegen. Musik hören, innehalten, ankommen. Das ist für mich ein schönes Ritual, um den Tag ausklingen zu lassen.