Candida Höfers über fünf Jahrzehnte gewachsenes Œuvre zählt zur fotografischen Avantgarde der Gegenwart. Ihre großformatigen Arbeiten zeigen öffentliche und halböffentliche Räume wie historische Bibliotheken, Archivräume, Lagerräume, Paläste, Museen, Opernhäuser, zoologische Gärten und andere Gebäude—Orte der Begegnung, der Kommunikation, der Erinnerung und des Wissens, der Entspannung und Erholung. Aber auch architektonischen Details wie Lüftungsschächten oder Wandstrukturen widmet sie eigene Bilder. Höfers Interesse gilt der Art und Weise, wie Menschen durch Architektur gelenkt, geleitet oder zurückgehalten werden und wie Räume ihre Besucher*innen beherbergen. Die weltweit in Museen und Skulpturengärten aufgestellten zwölf Abgüsse von Auguste Rodins ›Die Bürger von Calais‹ veranlasste die Fotografin zu einer Serie, die sie 2002 auf der documenta11 in Kassel vorstellte. Es ging ihr um die Widersprüchlichkeit der Räume, in denen die Abgüsse heute gezeigt werden; bereits zu Lebzeiten Rodins gab es kontroverse Diskussionen über das ›Heldendenkmal‹. Die Dialektik von Tradition und Moderne, von Repräsentation und Gebrauch ist in Höfers Bildern allgegenwärtig. Andere Werkkomplexe werden geografisch spezifisch betitelt: ›Dresden (1999—2002)‹, ›Weimar (2004—2006‹, ›Louvre (2006)‹, ›Portugal (2006)‹, ›Bologna (2007)‹ und ›Berlin (2021/22)‹, u. a. mit der Komischen Oper und ihrem neobarocken Innenraum und der Neuen Nationalgalerie als Berlins Wahrzeichen der Moderne. Ihr Thema sind jedoch nicht die kulturellen Unterschiede zwischen den über Jahrhunderte entstandenen Raumkonstruktionen, vielmehr erforscht Candida Höfer die Architekturkonzepte und wie damit die Manipulation der menschlichen Erfahrung über die Zeit erfolgt. Die Künstlerin selbst beschreibt ihre Arbeiten nicht als Architekturfotografien, sondern als Porträts von Räumen.
Candida Höfer 1944 in Eberswalde geboren, lebt in Köln. Nach einem Volontariat in dem Fotoatelier Schmülz-Huth in Köln (1963/64), einem ersten Studium bei Arno Jansen an den Kölner Werkschulen (1964–1968) und fotografischer Praxis in Hamburg nahm Ole John sie 1973 in die Filmklasse an der Kunstakademie Düsseldorf auf; danach wechselte sie 1976 zur Fotografie und blieb bis 1982 Schülerin von Bernd Becher. 2002 stellte sie auf der documenta11 in Kassel aus. 2003 vertrat sie Deutschland auf der 50. Biennale in Venedig, neben Martin Kippenberger [posthum]. 2015 erhielt sie den Cologne Fine Art-Preis, 2018 die Ehrung Outstanding Contribution to Photography der Sony World Photography Awards, 2020 die Hommage-Auszeichnung der Konrad-Adenauer-Stiftung. Candida Höfers erste Einzelausstellung fand 1975 in der Galerie Konrad Fischer in Düsseldorf statt; heute realisiert sie Ausstellungen und Projekte weltweit. Ihre Werke befinden sich in zahlreichen öffentlichen und privaten Sammlungen im In- und Ausland.