David Apakidze (*1998) lebt und arbeitet in Tbilissi, Georgien—einem Land, in dem die Rechte queerer Menschen zunehmend bedroht sind. Seine Installation ›The Knight at the Crossroads‹, präsentiert von Kvost—Kunstverein Ost, erzählt die Heldenreise eines queeren Migranten, der als moderner Ritter erscheint. Anders als im klassischen Mythos, in dem der Held triumphierend zurückkehrt, bleibt dieser Ritter in permanenter Bewegung und Entwurzelung gefangen. Die Arbeit reflektiert die Erfahrungen vieler Menschen, die angesichts politischer Gewalt gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen, um Sicherheit zu finden.
In seinen Arbeiten verbindet David Apakidze künstlerischen Ausdruck mit politischem Aktivismus und rückt dabei queere Perspektiven in den Mittelpunkt. Er ist Mitbegründer des Fungus Project—einer der ersten queeren Kunstplattformen im Kaukasus. Als diesjähriger Stipendiat von Kvost erhält David Apakidze den Claus-Michaletz-Preis 2025. Die Ausstellung ist Teil der Sektion Featured der Berlin Art Week.
Ihre Ausstellung trägt den Titel ›The Knight at the Crossroads‹. Welche Geschichte entfaltet sich darin?
Ich sehe in dem Ritter eine queere Person, die ihr Heimatland verlässt, um woanders ein besseres Leben zu finden. Migration wird oft als Schwäche betrachtet. Als wäre man zu ängstlich, um im eigenen Land zu bleiben, oder zu bequem, um dort etwas zu verändern, und entscheide sich einfach für ein leichteres Leben. Aber ich glaube nicht, dass das so ist. Selbst in der Mythologie wird der Held erst dadurch zum Helden, dass er seinen Geburtsort verlässt, Gefahren begegnet und böse Mächte überwindet. Für mich ist eine queere Person, die ihr Land verlässt, ein heldenhafter, mutiger Mensch. Denn es ist unglaublich schwer, seine Heimat hinter sich zu lassen. Ich selbst kann mir das gar nicht vorstellen.
Migration zieht sich wie ein roter Faden durch Ihre Arbeit. Warum ist dieses Thema für Sie so wichtig?
In den letzten zwei, drei Jahren haben viele queere Menschen Georgien verlassen, um in der EU Asyl zu suchen. Was einst eine lebendige Gemeinschaft war, wirkt heute leer. Auf Partys, wo früher viele waren, bleiben nur noch kleine Gruppen. Das erzeugt ein tiefes Gefühl der Einsamkeit, sowohl für diejenigen, die gehen, als auch für die, die zurückbleiben. Ohne deine Community, allein in einer Unterkunft, auf Asyl wartend—das stelle ich mir sehr schwer vor. Migration bedeutet auch, sich auf einen Weg zu machen. Deshalb habe ich Objekte wie Verkehrsschilder und eine Autotür verwendet: Dinge, die mit dem Unterwegssein verbunden sind. Sie wirken vertraut und zugleich fremd, wie etwas Bekanntes, das sich verändert hat. Für mich spiegelt das das Gefühl wider, die Heimat zu verlassen: Sobald man weg ist, bleibt nur noch ihr Bild, und dieses beginnt, seine Bedeutung zu verlieren. Meine Arbeit handelt von diesen Orten, die sich nicht mehr nach Heimat anfühlen.
Wenn Sie an die queere Community in Georgien denken, welche Gefühle verbinden Sie am stärksten damit?
Für mich ist die queere Community die Familie, die man sich aussucht. Leider empfinde ich im Moment auch Angst und Einsamkeit. Als Kind fühlte ich mich immer einsam, als wäre ich der einzige queere Mensch auf der Welt. Nachdem ich meine Community gefunden hatte, fühlte ich mich nicht mehr allein. Doch in letzter Zeit kehrt dieses Gefühl zurück, weil Regierung und Gesellschaft versuchen, das zu zerstören, was wir aufgebaut haben. Dieses Gefühl des Auslöschens und der Einsamkeit ist schmerzhaft.
»Als ich anfing, mich mit orthodoxer Kunst zu beschäftigen, fühlte ich mich ihr sehr entfremdet, weil ich queer bin. Später verstand ich, dass die Orthodoxie und die georgische Identität dennoch ein Teil von mir sind.«—David Apakidze
Haben Sie selbst jemals darüber nachgedacht, Georgien zu verlassen?
Ich habe lange darüber nachgedacht, Georgien zu verlassen, aber irgendwie habe ich das Gefühl, ich kann nicht gehen.
Sie sprechen viel von Einsamkeit. Was hilft Ihnen in Momenten, in denen sie sich einsam fühlen?
Freundschaft. Für mich ist sie die wichtigste Form von Beziehung. Freunde, Familie und Kunst helfen. Kunst verwandelt schmerzhafte Gefühle in Formen und Konzepte. Sie ist eine Art Therapie, ein Weg, Schwierigkeiten in etwas Schönes zu verwandeln.
In ihrer Arbeit setzen Sie sich viel mit Symbolen und Ikonografie auseinander. Was fasziniert Sie daran, vertraute Bilder neu zu deuten und was ermöglichen Symbole Ihnen als Künstler auszudrücken?
Das habe Kunstgeschichte studiert und mich während meines Studiums viel mit mittelalterlicher Kunst beschäftigt. Christliche Kunst beruht auf Symbolen und Ikonografie. Als ich anfing, mich mit orthodoxer Kunst zu beschäftigen, fühlte ich mich ihr sehr entfremdet, weil ich queer bin. Später verstand ich, dass die Orthodoxie und die georgische Identität dennoch ein Teil von mir sind. So entstand die Idee, eine queere Ikonografie der georgischen Kunst zu entwickeln. Symbole sind nicht nur Bilder. Sie wurden vor langer Zeit geschaffen und tragen Bedeutung. Indem man sie wiederverwendet, wird man Teil von etwas Größerem und fügt gleichzeitig die eigene Identität hinzu.
Gibt es ein Symbol, das für Sie persönlich eine besondere Bedeutung hat?
Ja, zwei: das rosafarbene Dreieck und die grüne Nelke. Eines meiner ersten Glasfensterwerke vereinte beide. Für mich sind sie zusammen Symbole des Widerstands.
Sie sind Teil der Berlin Art Week. Was bedeutet das für Sie?
Es bedeutet, gesehen zu werden und das ist sehr wichtig. Nicht nur für mich als Künstler, sondern auch für die georgische queere Community und die queere Kultur insgesamt. Als queere Menschen aus Georgien sind wir im Moment nicht sichtbar genug.
Welche Worte des Rates oder der Ermutigung würden Sie jungen queeren Künstler*innen gerne mit auf den Weg geben?
Ich möchte ihnen sagen, was ich selbst gern gehört hätte, als ich jünger war: Ihr seid nicht allein. Gemeinsam können wir all dem Chaos in dieser Welt entgegentreten.
Und wenn Sie sich eine Sache wünschen könnten, was wäre das?
Darf ich die typische Antwort aus Schönheitswettbewerben geben? Weltfrieden! Ehrlich gesagt ist mein größter Wunsch im Moment, dass mein Land frei und unabhängig ist. Georgien existiert seit sehr langer Zeit, mit einer wunderschönen Kultur und talentierten Menschen. Aber leider ist es immer wieder in politische Kämpfe verwickelt. Es ist schwer zu akzeptieren, dass dieses Land ein so schöner Ort zum Leben sein könnte, aber es aktuell nicht ist.
Credits für Abbildungen: Untitled, 2025; Spit, 2025; Snake Eater, 2025 © David Apakidze & Kvost, Berlin