Cory Arcangel: Let’s Play Majerus G3
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»As culture itself becomes increasingly digitized, more and more of it will end up in drawers like this — discarded, forgotten, and inoperable.«– Cory Arcangel in Artforum, Sommer 2014
Im Zentrum des Projekts ›Let’s Play Majerus G3‹ steht ein noch unerforschter Teil des Nachlasses von Michel Majerus: ein Macintosh PowerBook 3G, das Majerus bis 2002 benutzte. Auf Initiative des Künstlers Cory Arcangel und in Zusammenarbeit mit Rhizome, einer Plattform für digitale Kunst und Kultur, konnte dieser Laptop durch eine Emulation reaktiviert werden. Im Format von ›Let’s Play‹-Videos auf YouTube, die sowohl online als auch in der Ausstellung gemeinsam mit einer Auswahl weiterer Werke beider Künstler zu sehen sind, gibt Arcangel einen Einblick in den Computer und bisher wenig bekannte Aspekte des Schaffensprozesses von Majerus. Damit ermöglicht das Projekt – aus der Perspektive eines Künstlerkollegen – nun erstmals Zugang zu Majerus’ digitalem Atelier.
Majerus (1967–2002) und Arcangel (*1978) verbindet ein gemeinsames Interesse an der Ästhetik des Digitalen, dem kreativen Potenzial neuer Technologien, deren Kritik sowie dem freien Navigieren zwischen analogen und digitalen Welten, auch wenn die Anfänge ihres jeweiligen künstlerischen Schaffens fast ein Jahrzehnt auseinander liegen. Arcangel, der sich in seiner Praxis wiederholt mit dem Werk anderer Künstler*innen auseinandersetzt, sah 2002 in einer Einzelausstellung in der Petzel Gallery in New York zum ersten Mal Arbeiten von Michel Majerus. Ab 2014 begann er, sich mit dem Oeuvre von Majerus zu beschäftigen. Durch Gespräche mit dem Michel Majerus Estate erfuhr er von Majerus’ Laptop und entwickelte gemeinsam mit Dragan Espenschied, dem Preservation Director bei Rhizome, die Idee einer Emulation des Computers, die aufgrund des Alters und Zustands des Gerätes eine große technische Herausforderung darstellte.
In der schließlich 2023 von Espenschied erfolgreich umgesetzten Emulation des PowerBook G3 wird sichtbar, dass der Laptop ein zentrales Werkzeug für Majerus war und zunehmend seine Arbeit in analogen Notizbüchern ablöste. Am Computer konzipierte er Werke und plante Ausstellungen, führte sein Bildarchiv, kommunizierte und verfasste Texte sowie Notizen, wobei er seinen Laptop nach seinen Präferenzen modifizierte. Der virtuelle Arbeitsraum stellt eine Art Zeitkapsel aus den Jahren 2000 bis 2002 dar und verdeutlicht die enge Verbindung zwischen dem Arbeitsgerät und ästhetischen Entscheidungen. Digitale Skizzen und Unterlagen vermitteln detailliert Konzeptions- und Produktionsschritte von Werken und Ausstellungen. Der mobile Computer war Majerus’ bewegliches Studio. Er diente zudem als einer der Hauptzugänge des Künstlers zum Internet, das als damals aufkommendes Massenmedium hierarchielose globale Bild- und Informationsquellen ebenso wie schnellere Kommunikations- und Distributionswege eröffnete und mit seiner spezifischen digitalen Ästhetik die künstlerische Praxis von Majerus bereits früh prägte.
Ein Schwerpunkt von Cory Arcangels künstlerischer Arbeit liegt in der Auseinandersetzung mit der Zeitgebundenheit von Ästhetiken, die mit bestimmten Technologien einhergehen und die er als Kulturtechniken versteht. Sein Interesse reicht dabei von Musikinstrumenten der Renaissance bis zu Videospielen. Arcangel tritt als Künstler, Kurator, Komponist, Autor, Archivar und Unternehmer in Erscheinung. Seine Arbeiten, für die er eine Vielzahl von Medien wie Video, Print, Skulptur, Mode, Performance oder Komposition verwendet, sind vorwiegend am Computer generiert und bespielen sowohl analoge wie digitale Plattformen. Häufig sind Formate unserer digitalen Gegenwart der Ausgangspunkt seiner Werke – Computerspiele, Instagram-Feeds, Werbung –, deren Strukturen er untersucht, offenlegt, modifiziert und damit einer Art ›Reverse-Engineering‹ unterzieht. Innerhalb einer Generation von Künstler*innen am Beginn des digitalen Zeitalters hebt er sich durch einen analytischen Blick auf die digitale Gegenwart ab, der auch immer wieder zu kollaborativen, recherchebasierten Projekten führt.
Der Beschäftigung mit dem Computer von Majerus ging ein Projekt voraus, das 2014 Aufsehen in der Kunstwelt erregte. In Zusammenarbeit mit dem auf obsolete Computertechnologien spezialisierten Carnegie Mellon University Computer Club gelang es Arcangel, auf über 30 Jahre alten Disketten aus dem Bestand des Andy Warhol Museums bis dahin unbekannte digitale Bildexperimente von Warhol zu lokalisieren. Dieser Fund schloss eine Lücke in der kunsthistorischen Rezeption von Warhols Werk, indem er dessen Beschäftigung mit dem Amiga-Computer von Commodore belegte.
Neben der künstlerischen Auseinandersetzung Arcangels mit dem Werk von Majerus ermöglicht die Emulation dem Majerus Estate Zugang zu einem Archivbestand von besonderer Relevanz. Die Möglichkeit, Majerus’ Arbeitsprozesse am Computer nachzuvollziehen, öffnet den Weg für ein noch präziseres Verständnis von Majerus als Künstler an der Schwelle zum digitalen Zeitalter, der seismographisch die Erscheinungsformen der zunehmenden Durchdringung des Analogen durch das Digitale in seine Werke einfließen lässt. Der Laptop verfügte nicht nur über die neueste Software zur Bearbeitung von Bild, Video und Ton, sondern beispielsweise auch über ein Emulationsprogramm für Computerspiele aus den 1980er Jahren. Darüber hinaus findet sich hier eine Fülle digitaler Fotografien, Scans, Screenshots, Dateien aus Photoshop und Textdaten. Dieses umfangreiche, genuin digitale Material ergänzt das bereits vorhandene analoge Bild- und Dokumentenarchiv des Nachlasses und verweist auf die Herausforderung, mit der sich die Kunstgeschichte sowie Künstler*innenarchive in den kommenden Jahren durch die Entwicklung adäquater Rezeptions- und Archivierungsstrukturen auseinandersetzen müssen.
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›Let’s Play Majerus G3‹ bespielt mehrere Plattformen gleichzeitig: Neben der Präsentation in der Ausstellung im Majerus Estate, in deren Rahmen sie sukzessive in mehreren Episoden veröffentlicht werden, sind die Videos online auf Arcangels YouTube-Kanal sowie im Rahmen der „ArtBase Anthologies“ auf der Website von Rhizome zu sehen. Die YouTube-Episoden sind an das innerhalb der Gaming-Community gängige ›Let’s Play‹-Format angelehnt: Ein ›Let’s Player‹ zeigt das Spielen eines Computerspiels mittels Screencast, kommentiert und erklärt es oder weist auf besonders schwierige Sequenzen hin.
Bezugnehmend auf die Episoden setzt Arcangel in der Ausstellung weitere seiner Arbeiten ab 2004 mit einer von ihm getroffenen Auswahl an Werken von Majerus aus der Zeit von 1996 bis 2002 in Dialog. Die Gegenüberstellung von analoger und digitaler Praxis beider Künstler markiert zwei relevante Positionen einer jüngeren Kunstgeschichte, die von der vom frühen Internet geprägten Bildwelt der späten 1990er Jahre zu der zunehmenden Verlagerung von künstlerischen Praktiken ins Digitale in den 2000er Jahren reicht und in unsere Gegenwart führt, die sich durch eine immer komplexer werdende Durchdringung beider Welten auszeichnet.
Den Auftakt des Begleitprogramms bildete ein Gespräch zwischen Cory Arcangel und Dragan Espenschied im Rahmen des Gallery Weekend Berlin am Samstag, 27. April. Während der Berlin Art Week wird Arcangels Performance ›The AUDMCRS Underground Dance Music Collection of Recorded Sound‹ (seit 2015; fortlaufend) am Donnerstag, 12. September in der Kuppelhalle des silent green in einer Neuauflage aufgeführt: Auf Einladung Arcangels stellt Lena Willikens (Salon des Amateurs, Deutschland) eine etwa 60-minütige Auswahl aus dieser Plattensammlung zusammen und performt sie in einem traditionellen Konzertformat auf Plattenspielern der legendären Technics SL-1200-Serie.
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›Let’s Play Majerus G3‹ wurde in Zusammenarbeit mit Rhizome entwickelt. Die Betreuung der von OpenSLX erstellten Emulation von Majerus’ Computer übernahmen Dragan Espenschied (Preservation Director bei Rhizome) und Mona Ulrich. Das Institute for Contemporary Art Research (IfCAR) der Zürcher Hochschule der Künste, an der Arcangel derzeit unterrichtet, das Office for Contemporary Art Norway sowie Arcangel Surfware, ein 2014 vom Künstler gegründeter Verlag für Software und Merchandise, unterstützen das Projekt.
Cory Arcangel (geb. 1978, Buffalo, US) lebt und arbeitet in Stavanger, Norwegen. Seine Werke waren Gegenstand von Einzelausstellungen im Kunstverein in Hamburg, Hamburg (2022); Reykjavik Art Museum, Island (2015); Carnegie Museum of Art, Pittsburgh (2012); Whitney Museum of American Art, New York (2011); Barbican, London (2011); Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart, Berlin (2010); Museum of Contemporary Art, North Miami (2010) und Migros Museum für Gegenwartskunst, Zürich (2005).
Rhizome ist eine Organisation, die sich durch Neuproduktionen, Ausstellungen, Stipendien und konservatorische Erhaltungsmaßnahmen für die digitale Kunst und Kultur einsetzt. Gegründet wurde Rhizome 1996 von dem Künstler Mark Tribe als E-Mail-Diskussionsforum, an dem einige der ersten Künstler*innen teilnahmen, die damals online arbeiteten. Im Diskurs zur zeitgenössischen Kunst, die sich mit digitalen Technologien und dem Internet beschäftigt, spielt die Organisation eine bedeutende Rolle und ist seit 2003 dem New Museum in New York City angegliedert.
Ansässig im ehemaligen Atelier des Künstlers, widmet sich der Michel Majerus Estate der wissenschaftlichen und künstlerischen Erforschung, Präsentation und Kontextualisierung des Werks von Michel Majerus (1967–2002). Ein zentraler Schwerpunkt ist die Bewahrung seines umfangreichen Œuvres, das in einem kurzen Zeitraum ab Ende der 1980er Jahre entstanden ist. Seit 2012 finden in den Räumlichkeiten auch regelmäßig Ausstellungen und Veranstaltungen statt. Gastkurator*innen, Wissenschaftler*innen und Künstler*innen werden vom Michel Majerus Estate eingeladen, sich intensiv mit dem Werk von Majerus auseinanderzusetzen und Ausstellungskonzepte für den Ort zu entwickeln.