C/O Berlin wird 25—und feiert diesen Geburtstag mit einem vielfältigen Programm, das in die Vergangenheit blickt und zugleich nach vorn. Stephan Erfurt hat für das Berlin Art Week Journal eine persönliche Auswahl an Bildern und Momenten zusammengestellt. Sie markieren die Entwicklung von C/O Berlin über ein Vierteljahrhundert hinweg, von der ersten Ausstellung im Postfuhramt bis zur Gegenwart im Amerika Haus.
Im Jahr 2000 gründen Marc Naroska, Ingo Pott und ich, Stephan Erfurt, C/O Berlin. Ohne Förderstruktur, ohne institutionellen Rahmen, nur getragen von einer gemeinsamen Überzeugung, dass Fotografie einen zentralen eigenen Ort erhalten soll. Dieser definiert sich nicht allein über das Medium selbst, sondern ebenso durch überzeugende Ausstellungsarchitektur und ein durchdachtes gestalterisches Konzept. Ihr Ziel ist es, einen Raum zu schaffen für Menschen, die Fotografie und das Bewegtbild lieben, getragen von einem holistischen Anspruch. Gestaltung, Raum und Inhalt gehören von Anfang an zusammen. Die Gründer bringen unterschiedliche professionelle Hintergründe mit, aus Fotografie, Design und Architektur, und prägen gemeinsam die Form, in der Fotografie gezeigt und verstanden wird. Dass daraus ein international renommiertes Ausstellungshaus entsteht, ist noch nicht abzusehen, jedoch von Anbeginn die Vision. »Never solve your problems by excuses«—das Zitat von Evelyn Hofer begleitet die Institution bis heute.
Mit der Ausstellung ›magnum°. Betrachtungen über die Welt‹ eröffnet C/O Berlin im Jahr 2000 sein Programm im ehemaligen Postfuhramt. Gezeigt werden ikonische Fotografien der Agentur Magnum, die Reportage, Geschichte, Konflikt und Alltag sichtbar machen. Zu Beginn liegt der inhaltliche Schwerpunkt auf dokumentarischen und gesellschaftlich relevanten Positionen, lange bevor der Begriff der ›visual literacy‹, also der Fähigkeit, Bilder zu lesen, einzuordnen und ihre Wirkung zu reflektieren, im breiteren Diskurs angekommen ist. Die Räume des Postfuhramts wirken noch provisorisch, die Energie ist konzentriert. Wer damals das Postfuhramt besucht, erinnert sich an eine unmittelbare Nähe zwischen Bild, Ort und Publikum.
Zwischen 2001 und 2005 ist C/O Berlin in der Linienstraße ansässig. Die Ausstellungsfläche liegt im Berliner Scheunenviertel und ist kleiner, unabhängig, unmittelbar. Die Zeit dort ist geprägt von einer Konzentration auf dokumentarfotografische Positionen, unter anderem mit Arbeiten von Anton Corbijn und Barbara Klemm. Das Haus etabliert sich als Ort der Begegnungen, mit Ausstellungen, Gesprächen und einem wachsenden Netzwerk. Zugleich verfestigt sich in dieser Phase die Gründergruppe und der ganzheitliche Anspruch des Hauses wird sichtbarer. Es geht nicht mehr nur um Ausstellungsarchitektur, sondern um die architektonische Gestaltung des Ortes als Ganzes. Ingo Pott saniert das Gebäude, plant und realisiert das charakteristische Dach. 2006 ist die Schauspielerin Isabelle Huppert zu Gast, ein Abend, der exemplarisch für das erweiterte Verständnis von Fotografie bei C/O Berlin steht. Die Linienstraße bleibt als Phase in Erinnerung, in der sich das Haus mit begrenzten Mitteln, aber klarer Vision positioniert.
2006 zieht C/O Berlin zurück ins ehemalige Postfuhramt. Ein monumentaler Backsteinbau aus dem 19. Jahrhundert, der seit Jahren leer steht. Durch seine Lage in Berlin-Mitte, die weitläufige Architektur mit einem offenen Vorplatz und seiner einladenden Geste zur Oranienburger Straße hin, wirkt das Gebäude, als sei es immer schon für die Öffentlichkeit gedacht gewesen. Erstmals stehen ausreichend Flächen für Ausstellungen, Veranstaltungen und Büroarbeit zur Verfügung. Schrittweise entwickelt sich hier ein Ausstellungshaus mit anspruchsvollem Programm, wachsender Sichtbarkeit und eigenständiger Sprache. 2012 zeigt C/O Berlin die große Überblicksausstellung ›Zeitlos schön‹, die 100 Jahre Modefotografie umfasst, mit Werken von Man Ray, Mario Testino, Herb Ritts und anderen. Die Schau zieht viele Besucher*innen an und markiert einen institutionellen Entwicklungsschritt. C/O Berlin wird zunehmend als feste Größe im Berliner Kulturbetrieb wahrgenommen.
Marc Naroska, Mitgründer von C/O Berlin, verantwortet seit der ersten Stunde das visuelle Erscheinungsbild des Hauses mit konzeptioneller Stringenz, gestalterischer Klarheit und einem hohen Maß an Wiedererkennbarkeit. Über 250 Ausstellungen und zahlreiche Bildungsformate wurden seither umgesetzt und über 90 Talente gefördert, doch die grafische Linie blieb prägend. Sie begleitet nicht nur das Programm, sondern übersetzt Haltung in Form. Zum 25. Geburtstag zeigt C/O Berlin im Berliner Stadtraum sowie im Innenhof des Hauses einen Überblick der Gestaltung und kuratorischen Arbeit als Zusammenspiel von visueller Sprache und inhaltlicher Entwicklung.
2008 zeigt C/O Berlin im Postfuhramt eine Ausstellung der französischen Modedesignerin Agnès b. Gezeigt wird ihre persönliche Sammlung fotografischer Arbeiten, zwischen Kunst, Alltagsbeobachtung und Zeitdokument. Die Ausstellung steht exemplarisch für die interdisziplinären Ansätze, die das Programm von C/O Berlin prägen. Mode wird hier nicht als Thema ausgestellt, sondern als ästhetische Perspektive sichtbar. In unterschiedlichen Formaten rückt C/O Berlin auch in den folgenden Jahren die Verbindung von Mode, Fotografie und visueller Kultur immer wieder ins Blickfeld.
2010 feiert C/O Berlin seinen zehnten Geburtstag mit der Ausstellung ›Magnum. Shifting Media. New Role of Photography‹. Gezeigt werden ikonische Arbeiten aus über sechzig Jahren Magnum-Geschichte, von Robert Capa über Henri Cartier-Bresson bis hin zu Christopher Anderson und Donovan Wylie. Die Auswahl ist bewusst konzentriert und versammelt Positionen, die für die Entwicklung des Hauses besonders prägend waren. Die Schau reflektiert nicht nur das bisherige Programm, sondern auch die kuratorische Haltung des Hauses. Sie steht exemplarisch für die Idee, das Blickfeld zu weiten und das große Spektrum fotografischer Ausdrucksformen sichtbar zu machen.
2013 bespielt C/O Berlin erstmals die Außenfassade des Amerika Hauses. Zu diesem Zeitpunkt ist der Umzug an den neuen Standort noch nicht vollzogen. Die Plakatausstellung ›Bourgeoisie, Swing und Molotow-Cocktails‹ thematisiert das Amerika Haus als geschichtsträchtigen Ort im Wandel, vom Symbol einer politisch-kulturellen Neuausrichtung in der Nachkriegszeit bis zum Schauplatz lokaler antiamerikanischer Proteste in den 1960er Jahren. Noch bevor das Haus innen eröffnet ist, beginnt C/O Berlin, den Ort nach außen zu öffnen, die Verbindung von Fotografie und Öffentlichkeit konkret erfahrbar zu machen und mit der Stadt in einen Dialog zu treten.
2014 zieht C/O Berlin in das Amerika Haus, ein Bau der fünfziger Jahre mit internationaler Geschichte, lange als kulturelle Begegnungsstätte genutzt. Der neue Standort liegt im Zentrum der City West und öffnet sich mit klarer Präsenz zum Stadtraum. Die Eröffnungsausstellung ›Magnum. Contact Sheets‹ knüpft an die erste Präsentation des Hauses von 2000 an und markiert zugleich den Beginn einer neuen Phase. Seit 2013 als gemeinnützige Stiftung organisiert, erweitert C/O Berlin mit dem Umzug nicht nur seine räumlichen, sondern auch seine strukturellen Möglichkeiten für kuratorische Konzepte, Vermittlungsformate und organisatorische Entwicklungen. C/O Berlin wächst als Institution, bleibt aber seiner Idee treu, Fotografie nicht nur auszustellen, sondern gesellschaftlich zu verhandeln.
2023 zeigt C/O Berlin eine umfassende Retrospektive des japanischen Fotografen Daido Moriyama. Seine Arbeiten gelten als Schlüsselwerke der Nachkriegsfotografie und prägen mit ihrer rohen, unmittelbaren Bildsprache das internationale Verständnis von Street Photography. Die Ausstellung reiht sich ein in eine lange Linie fotografischer Positionen, die sich mit Stadt, Wahrnehmung und visueller Fragmentierung auseinandersetzen. Wie bei allen Ausstellungen von C/O Berlin ist auch hier der Andrang zur Eröffnung groß. Die Abende sind öffentlich, dicht besucht und seit Jahren fester Bestandteil des kulturellen Lebens der Stadt mit DJ-Sets, Gesprächen, Getränken und einer Atmosphäre, die Berliner*innen generationsübergreifend zusammenbringt.
Derzeit widmet C/O Berlin dem Künstler und Filmemacher Julian Rosefeldt mit ›Nothing is Original‹ eine umfassende Werkschau, die Arbeiten aus 30 Jahren versammelt. Die Dekonstruktion der Mythenmaschine Kino, das Spiel mit medialen Stereotypen und das Zitieren aus Kultur- und Filmgeschichte ziehen sich wie ein roter Faden durch sein Werk. Die Ausstellung beleuchtet wiederkehrende Motive und gewährt anhand unveröffentlichter Arbeitsmaterialien Einblicke in seinen künstlerischen Prozess. Sie läuft noch bis 16 SEP 2025.
Im Rahmen der Berlin Art Week lädt C/O Berlin am 13 SEP 2025 von 15—22 Uhr zu einem Open House mit freiem Eintritt, Musik und Drinks ein. Als besonderes Highlight präsentiert das Ausstellungshaus um 18:30 Uhr eine Exklusive Sneak Preview mit einer Einführung von Julian Rosefeldt und der Kuratorin Sophia Greiff. Limitierte Plätze. Anmeldung demnächst möglich.