Berlin Art Prize

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Berlin Art Prize, Trophy by Yael Bartana, 2015

Das Team des Berlin Art Prize, bestehend aus Leonie Huber, Sophie Jung, Zoë Claire Miller und Alicia Reuter beantwortet unser Questionnaire

Woran arbeiten Sie gerade?

Alicia Reuter: Zurzeit arbeite ich an der nächsten Ausgabe des Berlin Art Prize, außerdem bin ich Senior Editor bei der Art Basel. Und ich schließe den ersten Teil eines Projekts ab, das sich mit Nachhaltigkeit für Kunst- und Kulturschaffende befasst, die in Berlin leben und arbeiten.

Sophie Jung: An vielen Dingen gleichzeitig. Meistens hat es mit Texten, Journalismus und Deadlines zu tun.

Leonie Huber: Neben meiner Arbeit für den Berlin Art Prize bereite ich die zweite Ausgabe des Online-Magazins ›dis/claim‹ vor, das ich Anfang des Jahres mit dem Ziel initiiert habe, eine Plattform für Analysen und Praktiken der Textproduktion in der zeitgenössischen Kunst zu schaffen.

Zoë Claire Miller: Ich arbeite an Skulpturen für eine Ausstellung im Museion Bolzano mit dem Titel ›Kingdom of the Ill‹ und an der Überwindung von Patriarchat und Kapitalismus.

Was lesen oder hören Sie gerade?

AR: Ich bin auf einer Sisyphos-Mission und versuche, alle alten Ausgaben des Magazins ›The New Yorker‹ zu lesen. Vor kurzem habe ich ›New Dark Age: Der Sieg der Technologie und das Ende der Zukunft‹ von James Bridle beendet—ein faszinierender Blick auf die Technologie, die uns umgibt. Außerdem habe ich mich langsam durch ›On Language‹ von Noam Chomsky gearbeitet. Obwohl einige der Aufsätze aus dem Jahr 1976 stammen, sind sie absolut aktuell, denn sie untersuchen, wie Sprache die Welt um uns herum gestaltet. Als Nächstes steht Andreas Malms Manifest zum Klimawandel ›Wie man eine Pipeline in die Luft jagt‹ an.

SJ:›Die Palette‹ von Hubert Fichte. Es geht ums Trinken in Hamburg und ums Wandern zwischen verschiedenen Persönlichkeiten. Und plötzlich mag ich Jazz, vor allem den von Mary Halvorson.

LH: Während ich diese Fragen beantworte, höre ich das Album ›Hoping for Love‹ von Isabelle Antena. Auf meinem Nachttisch liegt der Briefwechsel ›Fireflies in the Dark. Letters on Ambiguities‹ von Jackie Grassmann und Sarah Lehnerer, in dem die beiden Künstlerinnen Strategien geteilter Autor*innenschaft diskutieren und erproben.

ZCM: Ich lese Sara Ahmeds ›Das Glücksversprechen‹, höre Michelle Gurevich und finde an beiden die Abkehr und Analyse vom neoliberalen Kult des Glücklichseins interessant.

Was würden Sie machen, wenn Sie keine Kunst machen würden/nicht mit Kunst arbeiten würden?

AR: Nachdem ich über 25 Jahre lang in der Kunst gearbeitet habe, kann ich mir ein solches Leben überhaupt nicht vorstellen.

SJ: Politik oder Gärtnern.

ZCM: +1—aber ich mache schon auch beides, lol.

LH: Nach dem Abschluss meines Studiums ist diese Frage für mich gerade sehr konkret. Zum Glück bin ich bis jetzt noch nicht in die Verlegenheit gekommen, sie beantworten zu müssen.

Haben Sie ein Lieblingsgebäude?

AR: Die rosa Röhre (Umlauftank 2) im Berliner Tiergarten. Es ist eine Forschungseinrichtung der TU Berlin und von außen absolut faszinierend. Das Innere kann ich mir nur vorstellen.

SJ: Ja, Ludwig Leos Umlauftank 2 ist toll. Und der Bau von Bernhard Hermkes für die Architekturfakultät der TU auch—inklusive Piranesi-esquem Treppenhaus mit Panoramablick auf Moabit.

LH: Ich kehre immer wieder zu Bruce Naumans Installation ›Room with My Soul Left Out, Room That Does Not Care‹ von 1984 am Ende der Rieckhallen im Hamburger Bahnhof—Museum für Gegenwart—Berlin zurück. Die Leere des Raumes ist umso eindrücklicher, seitdem die Freiflächen in der Umgebung von Immobilieninvestoren bebaut wurden.

ZCM: Die in Vulkantuffsteinfelsbrocken inklusive Möbiliar hineingemeißelten Behausungen im Falanga-Wald auf Ischia—ein bewohnbares Innen ohne gebautes Außen, das den Möbelqualitätsbegriff ›massiv‹ so richtig, richtig ernst nimmt.

Welches Tier wären sie gerne?

SJ: Ein Pelikan. Fliegen, mit den anderen an warmen Stränden rumhängen und irgendwie ein Mythos sein.

ZCM: Eine Meerechse. Auch an Stränden rumhängen, dabei aber viel Kuscheln da ektotherm, überschüssiges Salz rausniesen, wie Godzilla aussehen, keine natürlichen Feinde haben, alle sozialen Konflikte durch energetisches Kopfnicken lösen.

LH: Ich wäre ungern ein Tier—die Vorstellung nicht sprechen zu können, beängstigt mich.

Wen würden Sie gerne einmal kennenlernen?

SJ: Ich hätte gerne David Bowie kennengelernt, weil er ein so totaler Popstar ist. Und mit Georges Perec hätte ich mich gerne mal an einer Autobahnraststätte getroffen und über Senftuben gesprochen—wobei es dabei natürlich eigentlich um die Welt und nicht um Senftuben gegangen wäre.

ZCM: Ich würde gerne einmal all die kennenlernen, die die Einführung einer 100%igen Erbschaftssteuer bewirken werden, um sie zu fragen, wie ich dabei helfen kann.

Haben Sie ein tägliches Ritual?

AR: Laufen. Es lässt mich den Kopf frei bekommen und sehen, was in der Stadt passiert.

LH: Morgens trinke ich Kaffee und lese für eine Stunde, bevor mich das Koffein an den Schreibtisch oder aus dem Haus treibt. Es hilft mir innezuhalten, bevor die Arbeit beginnt.

SJ: Zu versuchen, vor meinen Kindern aufzustehen und es dann doch nicht zu schaffen. Dann hilft immer schwarzer Kaffee.

ZCM: Nein.

Was war der größte Fehler, den Sie sich bislang eingestehen mussten?

AR: Ich denke, jede*r macht das Beste aus den Informationen, die zum jeweiligen Zeitpunkt zur Verfügung stehen. Ich habe nichts zu bereuen.

SJ: Komisch, ich kann diese Frage gar nicht beantworten. Es gibt auf jeden Fall eine Menge kleiner Fehler und alle führen dann irgendwie auch wieder in eine gute Richtung. Vielleicht hätte ich nicht VWL studieren sollen.

LH: Zu glauben, pragmatische Entscheidungen treffen zu müssen, wo Gespräche und Fürsorge angebracht waren.

ZCM: Prokrastination, immer wieder aufs Neue.

Welches Accessoire oder welcher Gegenstand darf nicht fehlen?

AR: Ich habe immer etwas zum Lesen dabei. Ansonsten sind es meine Kopfhörer für Musik und Podcasts.

SJ: Früher ging ich immer nur mit EC-Karte und Organspende-Ausweis in der Hosentasche aus. Mit zwei Kindern gibt es jetzt eine ganze Fülle an Accessoires und nichts davon darf fehlen.

LH: Ohne ein Notizbuch und einen Stift verlasse ich nur selten das Haus. Es ist mir wichtig die Möglichkeit zu haben, das Handy beiseitezulegen und mit der Hand zu schreiben.

ZCM: Asthmaspray.

Was machen Sie nach getaner Arbeit?

AR: Die Folgearbeiten.

SJ: Wenn sie denn mal getan wäre. Auf dem Balkon den Geräuschen des Innenhofs lauschen.

LH: Ich genieße es sehr, mich nach einem Projekt mit Freund*innen und Kolleg*innen darüber auszutauschen. Durch die eigene Arbeit mit Menschen ins Gespräch zu kommen, ist für mich eine große Motivation, um in der Kunst tätig zu sein.

ZCM: Schlaf nachholen.

BERLIN ART PRIZE
Preisverleihung
im Acud Club Berlin
15 SEP 2022, 21 Uhr

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