Stations

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Porträt Stations, Mihaela Chiriac und Melissa Canbaz, Foto: Dan Lancea

Melissa Canbaz und Mihaela Chiriac von Stations beantworten unser Questionnaire: von historischer feministischer Literatur, Nachbarschaft und Fenstersaugern

Woran arbeiten Sie gerade?
Momentan sind wir vor allem mit der Recherche zu unserer nächsten Ausstellung beschäftigt, die zur Berlin Art Week eröffnet. Die Ausstellung soll Einblicke in die 50-jährige Geschichte der A.I.R. Gallery geben, New Yorks erster Non-Profit-Galerie für Künstlerinnen. Die Arbeit mit diesem Archivmaterial nehmen wir als Anlass, im Dialog mit Kolleg*innen und Künstler*innen über kuratorische Praxen zu reflektieren sowie unsere eigene Positionierung zu schärfen. Wir sind auch damit beschäftigt, Methoden zu finden, um diesen Prozess im Raum zu veranschaulichen. Die Ausstellung wird sich rhizomatisch mit dem von den Künstlerinnen Christl Mudrak und Alexandra Müller initiierten Musée de la Fraise in den öffentlichen Raum erweitern: In einem jener Erdbeerhäuschen, wie sie in der Stadt verteilt sind, werden dabei zwischen 14 SEP und 25 SEP Ausstellungsprojekte von etwa zwölf weiteren Künstlerinnen und -kollektiven zu sehen sein. Außerdem kooperieren wir zurzeit mit dem Musiker Emrah Gökmen und dem von ihm initiierten Chor Kız Meslek Korosu für ein Musikprojekt.

Was lesen oder hören Sie momentan?
Im Zuge der Recherche beschäftigen wir uns momentan vorrangig mit feministischer Literatur der 1960er und 70er-Jahre. Auch wenn sicherlich nicht mehr alles zeitgemäß ist, schärfen diese Texte trotzdem den Blick—auch im Hinblick auf aktuelle Genderdiskurse—und helfen, gesellschaftliche Entwicklungen besser nachzuvollziehen und soziale Empathie in den Vordergrund zu rücken. Inspirierend für uns sind beispielsweise die Schriften von Carla Lonzi, Lucy Lippard, Griselda Pollock, Hélène Cixous, um nur einige wenige zu nennen …

Was würden Sie machen, wenn Sie nicht mit Kunst arbeiten würden?
Mihaela Chiriac: Meeresbiologin.
Melissa Canbaz: Musikethnologin.

Haben Sie ein Lieblingsgebäude?
Das Zentrum Kreuzberg. Architektonisch sowie gesellschaftspolitisch ist sicher kein Gebäude in Kreuzberg so sehr aufgeladen wie dieses. Auch wenn es im Kern mittlerweile total marode und sanierungsbedürftig ist, ist es schon ziemlich toll zu sehen, wie an diesem Ort über die Jahre ein derart gut funktionierendes Nachbarschaftsnetzwerk entstanden ist. Als wir mit dem Raum vor drei Jahren dorthin gezogen sind, wurde uns ziemlich schnell klar, dass Stations nur funktionieren kann, wenn wir auf dieses komplexe Gefüge Rücksicht nehmen und die Umgebung aktiv in unser Programm einbinden. Mit dem Beschluss der Berliner SPD, eine Polizeiwache in das Herzstück des Kotti zu bauen, wird sich bestimmt auch dieser Ort verändern—leider! Und wie es scheint, wird dieser Plan trotz vieler Proteste nun auch umgesetzt.

Welches Tier wären sie gerne?
Spatz. Die beste Soundkulisse kommt aus den Baumkronen unter dem Balkon!

Wen würden Sie gerne einmal kennenlernen?
Ganz akut: Iris Spranger, die Berliner Senatorin für Inneres, Digitalisierung und Sport. Aus den oben genannten Gründen und mit der Hoffnung, sie noch umzustimmen …

Haben Sie ein tägliches Ritual?
Nachgucken, ob es einen neuen Wasserschaden im Raum gibt. Der nächste Gang führt dann oft zu unseren Nachbarinnen Lisa Herfeldt, Sarah Bohn und Anne-Katrin Ahrens, die eine Tür weiter den Ausstellungsraum Fächer betreiben.

Was war der größte Fehler, den Sie sich bislang eingestehen mussten?
Dass wir uns nicht schon früher einen Fenstersauger angeschafft haben.

Welches Accessoire oder welcher Gegenstand darf nicht fehlen?
Das kleine Schild über unserer Tür mit der Aufschrift »Labour«. War schon dran und passt immer.

Was machen Sie nach getaner Arbeit?
Besonders im Sommer sind wir oft noch mit Freunden auf dem Balkon vor dem Raum. Manchmal kommt dann auch Ercan vorbei, der Chef des Café Kotti nebenan, und gibt den neuesten Nachbarschafts-Gossip weiter.

STATIONS
Making Something From Nothing
11 SEP—13NOV 2022
ausgezeichnet mit dem Project Space Award 2022

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