Wie kam es dazu, dass eine Westberliner Bank in den 1980er Jahren Kunst aus der DDR zu sammeln begann? Unsere Zeitreise in Bildern erinnert an die Anfänge der Kunstsammlung der Berliner Volksbank und erzählt von mutigen Entscheidungen, wegweisenden Ausstellungen und der Überwindung kultureller Mauern in einer geteilten Stadt.
1985—1987
1985 eröffnet die damalige GrundkreditBank eine neue Zentrale in der Budapester Straße in Charlottenburg. Der Vorstand der Bank, Jürgen Bostelmann (1940–2014), begeistert sich für Kunst. Mit einer Ausstellungshalle (›Kunstforum‹) im Erdgeschoss der Zentrale und dem Ankauf von Kunst will er sein kulturelles Engagement für die Stadt intensivieren und legt somit den Grundstein für die heutige Stiftung Kunstforum Berliner Volksbank.
Anfang 1986 kauft die GrundkreditBank das erste Werk: Die Marmorskulptur ›Sich Umschauende‹ von Ludwig Gabriel Schrieber.
Der auf beiden Seiten der Mauer bekannte Kunsthändler Dieter Brusberg (1935–2015) wird 1987 beauftragt, ein Sammlungskonzept zu entwickeln. Brusbergs Idee: Eine Sammlung regionaler figürlicher Kunst unter dem Motto ›Bilder vom—Bilder für Menschen‹. Das Leitmotiv, das den Menschen in den Mittelpunkt stellt, ergibt sich aus der genossenschaftlichen Unternehmensphilosophie.
Bemerkenswert ist der gezielte Ankauf von Kunst aus der DDR—eine visionäre Entscheidung für eine westdeutsche Institution. Eine wichtige Rolle bei der Vermittlung und dem Erwerb ostdeutscher Kunst spielt Rüdiger Küttner, Direktor beim Staatlichen Kunsthandel der DDR.
Werke von Künstlern wie Harald Metzkes (Berliner Schule), Werner Tübke oder Wolfgang Mattheuer (Leipziger Schule) bilden das Fundament für die Sammlung. Außerdem kommt dem Thüringer Gerhard Altenbourg—einer der unabhängigsten künstlerischen Stimmen aus der DDR—von Anfang an, ein besonderer Stellenwert zu.
1988—1989
1988 findet im Auftrag der Berliner Festspiele die Ausstellung ›Zeitvergleich ’88—13 Maler aus der DDR‹ statt. Dieter Brusberg organisiert und kuratiert die Schau gemeinsam mit dem Staatlichen Kunsthandel der DDR, der erstmals in West-Berlin an einer Ausstellung aktueller Kunst aus der DDR direkt beteiligt ist.
Das Medienecho ist groß: Der stellvertretende DDR-Kulturminister Dietmar Keller und West-Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen erscheinen gemeinsam zur Eröffnung. Es ist das erste Mal, dass ein Regierungsmitglied der DDR offiziell in West-Berlin auftritt.
Aus dieser Ausstellung erwirbt die GrundkreditBank 27 Werke, u. a. von Harald Metzkes, Wolfgang Peuker, Walter Libuda und Angela Hampel, die als einzige Frau in der Ausstellung vertreten ist.
1990—1993
Auf Antrag von Wolfgang Mattheuer erteilt das Kulturministerium der DDR 1990 die Erlaubnis, einen Eisenguss der Plastik ›Jahrhundertschritt‹ an die GrundkreditBank zu verkaufen. Die Aufstellung der prominenten Figur vor dem Bankgebäude findet am 27. August 1990 statt. Der 1985 bei der 11. Kunstausstellung des Bezirks Leipzig und 1987 auf der X. Kunstausstellung der DDR in Dresden gezeigte ›Jahrhundertschritt‹ ist ein Sinnbild für das zwiespältige Fortschreiten der Geschichte und sorgte in der DDR für Aufsehen.
1991 zeigt die GrundkreditBank ihre Kunstsammlung zum ersten Mal umfassend öffentlich im Kunstforum. Die Ausstellung ›Staatskünstler—Harlekin—Kritiker? DDR-Malerei als Zeitdokument‹ präsentiert Werke von Gerhard Altenbourg, Bernhard Heisig, Werner Tübke und vielen mehr. Es soll eine Einladung zum Diskurs sein: Wie sahen künstlerische Lebensläufe innerhalb des DDR-Staats und dessen Kulturpolitik aus? Und was verraten Bilder über das gesellschaftliche Klima der DDR, was Akten nicht sagen können?
1992 und 1993 erweitert die GrundkreditBank ihre Sammlung und erwirbt u. a. von Werner Tübke das großformatige Gemälde ›Ende der Narrengerichtsbarkeit IV‹. Mit vier Kunstwerken von Horst Antes kauft die Bank Beispiele eines frühen westdeutschen Vertreters der ›Neuen Figuration‹ der 1960er-Jahre an.
1994—1996
Die Eisenfigur ›GroßeFrauenFigurBerlin‹ des West-Berliner Bildhauers Rolf Szymanski wird 1994 angekauft und erhält einen Platz vor der Zentrale der GrundkreditBank.
Ab Mitte der 1990er-Jahre stattet die Bank ihre Außenstandorte in Berlin und Brandenburg gezielt mit Kunst aus. Am Standort Wallstraße werden die Mitarbeiter bei der Auswahl der Kunstwerke einbezogen, die die Galerie Leo.Coppi vorschlägt. Künstler wie Wolfgang Leber, Harald Metzkes, Arno Mohr und Stefan Plenkers finden Anklang.
1997—2004
Mit ›Ostwind. Fünf deutsche Maler aus der Sammlung der GrundkreditBank‹ zeigt das Kunstforum 1997 eine Ausstellung im Rahmen der Berliner Festwochen. Dieter Brusberg greift das Thema der Festwochen ›Deutschlandbilder‹ auf und stellt Gerhard Altenbourg, Bernhard Heisig, Wolfgang Mattheuer, Harald Metzkes und Werner Tübke anhand von wichtigen Werken aus der Sammlung vor.
1998/1999 fusioniert die GrundkreditBank mit der Berliner Volksbank unter der Leitung vom Vorstandvorsitzenden Karl Kauermann zur größten genossenschaftlichen Bank Deutschlands. Kauermann ist selbst begeisterter Kunstsammler und sorgt mit Überzeugungskraft dafür, dass die Kunst der GrundkreditBank nicht der Sanierung zum Opfer fällt. Der Bestand erweitert sich durch die Sammlung der Berliner Volksbank und um die Thematik ›Berliner Stadtbilder‹. Künstler*innen wie Kerstin Baudis, Helge Leiberg, Markus Lüpertz oder Ulla Walter kommen neu dazu.
Bärbel Mann, die zu diesem Zeitpunkt Sammlungsleiterin ist, kuratiert 1999 ›Dialoge. Werke aus der Sammlung der GrundkreditBank‹. Erstmalig werden alle Künstler*innen einbezogen und kein ostdeutscher Schwerpunkt gelegt.
2005—2016
Zum 20-jährigen Bestehen der Kunstsammlung zeigt die Ausstellung ›Bilder & Bilanzen. Von Antes bis Zylla‹ exemplarisch die Entwicklung der figurativen Kunst in Berlin und Brandenburg. Diese Ausstellung trägt maßgeblich dazu bei, Kunst aus der DDR in einen kunsthistorischen Kontext einzuordnen und ihre Bedeutung zu unterstreichen. Es werden jedoch auch West-Künstler*innen berücksichtigt.
Werke der Neuen Wilden und der Selbsthilfegalerie Großgörschen 35 sowie weitere westdeutsche Positionen werden in die Sammlung integriert. Dazu zählen Werkgruppen von Rainer Fetting, Klaus Fußmann, K. H. Hödicke und Max Kaminski. Die Sammlung firmiert nun als ›Kunstsammlung der Berliner Volksbank‹ und umfasst 1.000 Werke von rund 100 Künstler*innen. Das Verhältnis ost- und westdeutscher Kunst gleicht sich aus.
2005 wird zudem die Werkstatt für Kreative als eines der ersten kunstpädagogischen Bildungsangebote für Kinder und Jugendliche in Berlin und Brandenburg ins Leben gerufen.2007 gründet die Berliner Volksbank die eigenständige gemeinnützige Stiftung KUNSTFORUM der Berliner Volksbank gGmbH, die seither die Betreuung, Pflege und Erweiterung der Kunstsammlung sowie die Ausstellungstätigkeit und die Werkstatt für Kreative übernimmt.
Neue Werke kommen hinzu—u. a. von Konrad Knebel, Ursula Strozynski und Manfred Butzmann. Bildhauer*innen wie Wieland Förster, Sabina Grzimek, Ingeborg Hunzinger, Fritz Cremer oder Berndt Wilde finden ebenfalls Eingang in die Sammlung.
2016—2020
2016 findet ›bankART. Drei Jahrzehnte Kunstsammlung der Berliner Volksbank‹ statt—zugleich die letzte Ausstellung in der Zentrale an der Budapester Straße.
2018 zieht das Kunstforum in die neuen Räumlichkeiten am Kaiserdamm 105 in Charlottenburg. Mit der Eröffnung im November 2018 beginnt eine neue Phase: Pro Jahr eröffnen jeweils zwei Ausstellungen, um die umfangreiche und vielfältige Kunstsammlung der Berliner Volksbank gezielt zu präsentieren.
Die Kunstsammlung wächst um Künstler*innen der alternativen Szene der DDR, darunter Annemirl Bauer, Sabine Herrmann, Uta Hünniger, Klaus Killisch und Cornelia Schleime.
Die vom ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Holger Hatje angestoßene Übertragung der Kunstsammlung an die Stiftung KUNSTFORUM der Berliner Volksbank gGmbH wird 2019 vom amtierenden Vorstandsvorsitzenden der Berliner Volksbank, Carsten Jung, formal abgeschlossen und schützt die Kunstsammlung seither vor dem Verkauf.
Sebastian Pflum übernimmt 2019 als neuer Geschäftsführer und Direktor die Leitung des Hauses.
2021—2025
2021 erhält der Ausstellungsort mit ›Stiftung Kunstforum Berliner Volksbank‹ einen neuen Namen. Anlässlich des 35-jährigen Jubiläums der Kunstsammlung der Berliner Volksbank findet die Ausstellung ›WIR. Nähe und Distanz statt‹. Sie wird von Mitarbeiter*innen der Berliner Volksbank kuratiert, die rund 60 Werke von 45 Künstler*innen aus der Kunstsammlung auswählen.
Im Februar 2022 eröffnet ›CASH on the Wall‹. Die Ausstellung thematisiert die intensive Auseinandersetzung mit dem Thema Geld in der Kunst der letzten Jahrzehnte. Im Herbst 2022 zeigt die Stiftung Kunstforum Berliner Volksbank zusammen mit der Stiftung Stadtmuseum Berlin ›Aufbrüche. Abbrüche. Umbrüche. Kunst in OstBerlin 1985–1995‹. Beide Institutionen beleuchten anhand ihrer jeweiligen Sammlungen die Berliner Kunstszene in einer historischen Phase.
2023 ist die Stiftung Kunstforum Berliner Volksbank mit der Ausstellung ›SchlagLicht‹, die in Zusammenarbeit mit der Kunststiftung DZ BANK entsteht, erstmals Teil der Berlin Art Week.
Zum 35-jährigen Jubiläum der Maueröffnung am 09. November 1989 und der friedlichen Revolution startet im November 2024 in Zusammenarbeit mit der Stiftung Brandenburger Tor die Ausstellung ›Die Mauer: vorher, nachher, Ost & West‹ fast ausschließlich mit thematischen Werken der Kunstsammlung Berliner Volksbank im Max-Liebermann-Haus am Pariser Platz.
Im Jahr 2025 feiert die Kunstsammlung der Berliner Volksbank ihr 40-jähriges Jubiläum mit der Ausstellung ›MENSCH BERLIN‹, welche auch im Kunstforum Wien gastiert. Zur Berlin Art Week 2025 eröffnet außerdem ›Paradies‹, kuratiert von dem zeitgenössischen Künstler Christian Thoelke. Die Kunstsammlung der Berliner Volksbank umfasst inzwischen weit über 1.500 Werke von rund 200 Künstler*innen.