Dinge im Atelier

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Uferhallen, Open Studios, Ansicht Atelier Bettina Scholz © Justyna Fedec

Das Areal der Uferhallen ist mit diversen Ausstellungsaktivitäten, dem BAW Garten und den offenen Ateliers ein Zentrum der Berlin Art Week. Vor allem aber sind die Uferhallen seit langem einer der zentralen Produktionsstandorte für Kunst in Berlin. Wir haben einige der dort arbeitenden Künstler*innen gefragt, uns Einblick in ihr Studio zu gewähren—und einen zentralen Gegenstand auszusuchen, der sie über die Jahre begleitet.

kennedy+swan

Foto: Courtesy kennedy+swan

Das erste Objekt, das den Weg in unser neues Atelier in den Berliner Uferhallen gefunden hatte, war dieses weiße Schlagzeug. Für uns war es von Anfang an das Symbol, in diesem Studio tun und lassen zu können, wonach uns ist, egal wie laut, egal um wie viel Uhr. Es ist auch die perfekte Zäsur nach langer, konzentrierter Arbeit an Miniaturmodellen oder aufwändigen 3D-Scans für unsere Animationsfilme. Und mittlerweile haben wir damit einige Arbeiten vertont, wie zum Beispiel den Stummfilm ›Bath the Pain Away‹.

 

 


kennedy+swan wurde 2013 gegründet und besteht aus den Künstler*innen Bianca Kennedy und Swan Collective. In ihrer Zusammenarbeit schaffen sie Videos und Virtual-Reality-Experiences, die sich mit der Zukunft der Evolution und ihren Auswirkungen auf Pflanzen, Tiere und Menschen beschäftigen.

Heiner Franzen

Foto: Courtesy Heiner Franzen

Der Gegenstand, der alle Atelierumzüge überlebt hat, ist diese Daci-Kamera-Box: Ein kleiner Metallklotz, Jahrgang 1950, für 6×6-Rollfilme. Fixe Linse, zwei Verschlusszeiten: 1/40 Sekunde und »B«. Gibt es auf jedem Flohmarkt. Die hier hatte ich auf dem Dachboden meines Großvaters gefunden. Frisch im Kunststudium angekommen, wollte ich sie nun auch benutzen, aber der Filmtransport war hinüber. Den machte dann mein Mitbewohner wieder flott, mit dem Gewinde einer Gardinenstange. Als erstes habe ich dann tatsächlich das Haus meines Großvaters fotografiert und die Box auch danach immer wieder benutzt. Diese Kiste hat mich viel über Fotografie und eigentlich auch über Film gelehrt.

 

 


Der Zeichner und Videokünstler Heiner Franzen verarbeitet kollektive Erinnerungen aus dem Alltag—Teenagererlebnisse, Kinobesuche, Werbung, Sport, Medizin usw. Sein Atelier befindet sich seit Anfang 2008 auf dem Uferhallengelände.

Manfred Peckl

Foto: Courtesy Manfred Peckl

Mein Hund hieß Helmut. Er hatte im Dunklen Angst.
Meine Freundin hieß Inge. Seit ihrem Tod hängen hier Ringe.
Mein Freund hieß Jack. Da steht die Dose seit seinem Tode.
Mein Mantel heißt Viva. Mit ihr bin ich fast ertrunken.

 

 


Manfred Peckl ist Künstler, Autor und Musiker. In den Uferhallen ist er seit 2008.

Hamid Yaraghchi

Foto: Courtesy Hamid Yaraghchi

Ich habe dieses Foto vor vier Jahren zufällig im Internet gefunden. Seitdem hängt ein Ausdruck des Bildes an der Wand meiner Arbeitsstätte. Auf den ersten Blick mutet das Bild an wie eines von vielen aus der uns so bekannten Geschichte. Bei näherem Hinsehen aber lässt uns die Abstrusität der abgebildeten Situation erschauern. Man kann sich nicht erklären, was dort gerade geschieht, die Situation lässt sich mit normalem Menschenverstand nicht greifen. Studiert man die einzelnen Gesichtsausdrücke und Gesten der abgebildeten Personen, rückt die Realität, wie wir sie kennen, in weite Ferne. Das Geschehen trägt etwas Geisterhaftes, Metaphysisches, Unerklärbares in sich. Eben das suche und untersuche ich in meiner Arbeit—Abbildungen, die auf den ersten Blick stimmig und ganz natürlich anmuten; Abbildungen von Situationen, die wir tagtäglich um uns herum finden können. Bei näherer Betrachtung aber offenbart sich eine Welt, die Rätsel aufwirft; eine Welt, die Fragen stellt, die nicht beantwortet werden können und wollen; eine Welt, die einen in ihrer Schrecklichkeit und Absurdität auf eine ungreifbare Art und Weise tief berührt und mitnimmt. In eine Welt voller Fragen und Rätsel jenseits unseres Verstandes.

 

 


Der Künstler Hamid Yaraghchi wurde 1984 in Teheran, Iran, geboren. Seit 2021 arbeitet er in einem Atelier in den Uferhallen.

Norbert Witzgall

Foto: Courtesy Norbert Witzgall

Fotos sind die Grundlage für meine Porträts. Dabei interessiert mich besonders, wie sich Kategorien wie ›class‹, ›race‹ und ›gender‹ in Bilder einschreiben. Besonders eindringlich findet das in Fotoalben statt: Neben den individuellen Familienbeziehungen sind es gerade die gesellschaftlichen Normen, die diese ›Bilderbücher‹ kennzeichnen.

Das Fotoalbum, das für mich besonderen Wert hat, habe ich von meiner verstorbenen Mutter geschenkt bekommen. Es zeigt eine scheinbar reiche, großbürgerliche Familie des 19. Jahrhunderts und ihre zahlreichen Angestellten. Das ist ganz weit entfernt von der bäuerlichen Familie, in der ich selbst aufgewachsen bin. Die nicht mehr zu entschlüsselnden Beziehungen zwischen den Abgebildeten, ihre formelhaften Posen und Aufzüge lassen mich fragen: Was steckt hinter den sozialen Fassaden der einzelnen Porträts? Wer nimmt welche Rolle ein? Und wie reichen tradierte gesellschaftliche Klischees bis in unsere Gegenwart hinein?

 

 


Norbert Witzgall ist Künstler, Kunstvermittler und Lehrender. Seit 2014 unterrichtet er an der UdK Berlin. In den Uferhallen hat er sein Atelier seit 2019.

John Bock

Fotos: Courtesy John Bock

Ich hänge an dem Unheil-Kopf-Gestell, einem Objekt, das Lars Eidinger als »Fremder« in meinem Mittelalterfilm ›Unheil‹ trug. Es erinnert mich an den Filmdreh im Ukranenland. Lars benutzte das Unheil-Kopf-Gestell in den Ritualen, um die Figur der Mutter, gespielt von Effi Rabsilber, in Halluzinationszonen zu versenken. Ihr Geist gleitet in die Zwischenzone des Waldes auf der Suche nach ihrer ermordeten Tochter.

»Fremder: Lehmdouble rotiert, modelliert die Umfeldblase.
Drehschnitt zerstückelt Licht-Fleisch.  Lichtgedärm nässt die Erdmasse.
Geästknochen staksen saftig aus der Ackerfurche.
Lehmiger Blutstrom strömt adergleich ins Feldfleisch.«

(Drehbuchauszug ›Unheil‹)

 

 


Der Künstler John Bock, geboren 1965, verbindet in seinen Installationen, Theaterprojekten, Filmen und Ausstellungen viele verschiedene Ausdrucksformen zu einem manischen Welttheater. Seit 2008 hat er sein Studio in den Uferhallen.

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