Carolin Schmidt (CS): Das Haus am Waldsee, das Brücke-Museum und das Georg Kolbe Museum liegen alle drei am Westrand von Berlin und alle Häuser sind von einem prächtigen Garten umgeben. Welche Idee des Zusammenspiels von Kunst und Natur verfolgt ihr? Anna, du hast in einem Interview einmal gesagt, dass du dich im Haus am Waldsee auch aus künstlerischer Perspektive mit dem Garten beschäftigen möchtest. Wie sieht das konkret aus?
Anna Gritz (AG): Unser Garten am Haus am Waldsee, das 1922 im englischen Landhausstil erbaut wurde, ist ein englischer Landschaftsgarten und steht unter Denkmalschutz. Er wurde erst letztes Jahr restauriert. Der Garten grenzt an einen künstlichen See, der damals im Rahmen eines Immobilienprojekts angelegt wurde. Nun ist ein englischer Landschaftsgarten nicht unbedingt das, was man als zeitgenössischen Umgang mit der Natur begreifen würde. Er macht sich wie ein Landschaftsgemälde die Natur untertan—zeitgemäß ist das nicht. Deshalb versuche ich, soweit das im Rahmen des Denkmalschutzes möglich ist, diese Vorstellung zu unterwandern und Freiräume zu schaffen. Mit Performances geht so etwas sehr gut.
Lisa Marei Schmidt (LMS): Ich liebe den Garten am Brücke-Museum sehr. Das Haus mit seiner wunderbaren Architektur von Werner Düttmann, die Sammlung selbst und der Standort auf einem Waldgrundstück am Rand des Grunewalds formen einen ganz besonderen Dreiklang. Wir haben in Sachen Garten die letzten Jahre einiges bewegt: das atelier le balto hat den Gartenbereich neugestaltet, vor zwei Jahren wurde der ›Waldraum‹ von Constructlab eingerichtet, in dem nun Workshops und andere Veranstaltungen stattfinden. Wir haben auch Bienen und planen gerade einen künstlerischen Lehrpfad. Als Museum mit einer Sammlung sind wir eine bewahrende Institution, haben aber auch einen recht großen ökologischen Fußabdruck. Der Pfad, für den Künstler*innen klimaneutrale Werke produzieren werden, soll diese Aspekte des Bewahrens dezidiert thematisieren. Überhaupt habe ich durch den Garten angefangen, saisonaler zu denken—im Sommer haben wir ganz andere Möglichkeiten als im Winter (alle nicken zustimmend).
Kathleen Reinhardt (KR): Auch für das Georg Kolbe Museum ist der dazugehörige Garten ein ganz wichtiger Ort. Er rahmt die beiden Häuser im Stil des Neuen Bauens zu einem denkmalgeschützten Ensemble ein—Kolbes Atelier, in dem sich heute das Museum befindet, und das Wohnhaus, in dem heute die Bibliothek und das Café sind. Zur Entstehungszeit 1928 befand sich das Grundstück noch mitten im Grunewald. Bei der Bebauung war es dem Künstler wichtig, viele Gegebenheiten wie einen alten Waldweg oder die Kiefern zu erhalten und seinen Arbeitsraum integrativ mit dem Haus und dem Garten zu denken. Anders als am Haus am Waldsee und am Brücke-Museum ist unser Garten auch ein historischer Skulpturengarten mit Arbeiten von Kolbe, aber auch von Zeitgenoss*innen wie etwa Louise Stomps, deren Skulptur hier jüngst eingezogen ist. In den nächsten Jahren möchten wir hier Auftragsarbeiten realisieren, die sich mit dem Garten beschäftigen. Es gibt auch einen historischen Brunnen, der meiner Meinung nach vieles zusammenbringt, womit sich Institutionen heute beschäftigen. Für mich ist er gerade eine Art ›Hyperobjekt‹ (lacht).
CS: Inwiefern ›Hyperobjekt‹?
KR: Ich spreche vom historischen Tänzerinnen-Brunnen von Georg Kolbe. Er wurde ursprünglich 1922 für den Garten von Heinrich Stahl in Zehlendorf gefertigt. Stahl war ein Versicherungsmagnat und späterer Vorsitzender der jüdischen Gemeinde zu Berlin, der 1942 im KZ Theresienstadt laut Totenschein an ›Herzschwäche‹ starb. Der Brunnen war dann erst einmal verschollen. In den 1970er-Jahren ist das Becken wieder aufgetaucht—es bildet jetzt die Basis des Brunnens. Darauf befindet sich ein steinerner Aufbau. Die Figuren, die dort eingearbeitet sind, müssen noch zugeordnet werden. Unser Sammlungsforschungs-Team ist gerade dabei, ein Werkverzeichnis von Kolbe zu erstellen und stilistische Zuordnungen vorzunehmen. Wir vermuten, dass es sich bei der Brunnenbasis um Schwarze Abgebildete handeln könnte—Ausdruck des kolonial sozialisierten Blicks der Künstler zu dieser Zeit. Oben auf dem Brunnen befindet sich zudem eine bekannte Tänzerinnenfigur Kolbes, ein Abbild weiblicher Schönheit mit universellem Anspruch. Hier stapeln sich buchstäblich wichtige Kernthemen heutiger Museumsarbeit aufeinander. Ich hoffe, dass wir diesen Brunnen mithilfe von zeitgenössischen Künstler*innen und Denker*innen in den nächsten Jahren intensiver betrachten und neue Geschichten um ihn herum erzählen können.
»Wir alle drei mit einem eher zeitgenössischen Blick an die jeweiligen geschichtlichen Vorgaben heran.«—Kathleen Reinhardt
Dominikus Müller (DM): Ihr leitet alle drei gestandene Westberliner Kunstinstitutionen. Du Lisa, bist seit fünf Jahren hier, Anna seit letztem Jahr und Kathleens Programm beginnt dieses Jahr im September zur Berlin Art Week. All eure Häuser sind erst einmal ganz anders angelegt als die dezidierten Institutionen für zeitgenössische Kunst, an denen ihr vorher gearbeitet habt. Sie sind nicht nur geografisch eher in der Peripherie angesiedelt, sondern auch jeweils sehr spezifisch historisch aufgeladen. Wie geht ihr denn mit dieser Gemengelage um? Welche besonderen Probleme ergeben sich daraus? Und wo unterscheiden sich diese drei Institutionen, die man aus der Mitte der Stadt gesehen ganz gerne in einen Topf wirft, auch untereinander?
KR: Unsere drei Häuser repräsentieren tatsächlich recht unterschiedliche geschichtliche Perioden. Das Haus am Waldsee ist eine altehrwürdige Villa, das Georg Kolbe Museum steht für das Bauhaus und das Neue Bauen und das Brücke-Museum ist mit seinem Düttmann-Bau ein dezidierter Bau der Westberliner Nachkriegsmoderne. Natürlich ist man einer gewissen Tradition immer verpflichtet. Aber dennoch gehen wir alle drei mit einem eher zeitgenössischen Blick an die jeweiligen geschichtlichen Vorgaben heran. Und das heißt dann eben nicht, stets zeitgenössische Kunst zu zeigen, sondern Kunst generell unter zeitgenössischen Prämissen zu betrachten.
LMS: Das Brücke-Museum ist eigentlich ein Museum der Klassischen Moderne und beherbergt eine der bedeutendsten expressionistischen Sammlungen weltweit. Aber auch ich komme ursprünglich aus der zeitgenössischen Kunst, vor allem aus der Konzeptkunst—und diesen Blick wende ich auch in meiner jetzigen Arbeit an. Bei uns steht die Auseinandersetzung mit der Sammlung im Vordergrund. Wir betreiben Provenienzforschung, digitalisieren und erschließen Bestände, all das. Ein großer Teil der Arbeit, die uns täglich beschäftigt, bildet sich also gar nicht direkt im Ausstellungsprogramm ab. Durch die Sammlung haben wir auch ein schweres Erbe zu verwalten, so befinden sich im Nachlass von Karl Schmidt-Rottluff, der das Museum initiierte, eine Sammlung von rund 100 Objekten aus kolonialen Kontexten. Aber auch in Werken der klassischen Moderne selbst finden sich Motive, die aus heutiger Sicht kritisch zu reflektieren sind, beispielsweise weil sie koloniale Spuren in sich tragen. Der Blick auf die Sammlung zwingt uns also dazu, uns immer wieder mit solchen Fragen auseinandersetzen. Dazu laden wir dann auch zeitgenössische Positionen ein, um unser Verständnis der Sammlung immer wieder zu erweitern.
DM: Lisa, du bist schon seit 2017 am Brücke-Museum, hast also schon dein erstes halbes Jahrzehnt am Haus hinter dir. Hast du schon gewisse Erfahrungswerte?
LMS: Als erstes fällt einem natürlich das im Gegensatz zu Berlin-Mitte ganz andere Klientel auf. Am Anfang war das Durchschnittsalter bei mir jenseits der 60 Jahre. Das war und ist immer noch ein Prozess und es gibt auch einen gewissen Generationenkonflikt angesichts der Frage, wie man mit den Werken der Brücke-Künstler und dem Bestand des Museums umgeht. Angesichts der Ausstellung ›Whose Expression? Die Künstler der Brücke im kolonialen Kontext‹ gab es 2021–22 sehr viele Diskussionen. Eine solche Debatte hätte es in einem zeitgenössischen Haus wie dem Hamburger Bahnhof—Museum für Gegenwart Berlin, an dem ich vorher gearbeitet habe, nie gegeben. Da hätte man sich wahrscheinlich gegenseitig auf die Schultern geklopft. Hier in Dahlem aber ging es ans Eingemachte. Wenn man zum bestehenden Publikum, das man übernimmt, ein anderes, neues hinzuholt, dann entsteht eine faszinierende Mischung. Auf unserem Sommerfest trifft die 80-jährige Dahlemer Oma mit Perlenkette auf die 20-jährige Neuköllner Hipsterin. Ich glaube es gibt wenige Orte, an denen wirklich so derart unterschiedliche Berliner*innen zusammenkommen. Das ist ein riesiges Potenzial dieser Häuser (alle nicken zustimmend). Anna und Kathleen, das ist an bei euch sicher ähnlich, oder?
»Diese Häuser bilden auf jeden Fall ein totales Gegenmodell zur Kunstwelt der Franchise-White-Cube-Modelle«—Anna Gritz
AG: Ja, das ist bei uns nicht anders. Das Haus am Waldsee hat zwar keine Sammlung, war aber das erste Haus für zeitgenössische Kunst in Berlin nach dem Zweiten Weltkrieg. Wenn man so will, ist die Verpflichtung auf das Zeitgenössische hier historisch gegeben und zieht auch ein Publikum an, das unter diesem sehr weiten Begriff etwas Unterschiedliches versteht. Häuser wie die unseren existieren ja gerade nicht in einer Blase, in der man sich ständig selbst bespiegelt. Und das ist eine große Chance. Klar haben wir unser lokales Publikum, aber für viele andere ist der Besuch im Haus am Waldsee schon eine kleine Reise. Das Haus wird so zu einer Destination, zu einem Ziel.
CS: Aber ist nicht genau diese Reise, die man bewusst auf sich nehmen muss, auch Teil des Problems? Denn für den Teil der Gesellschaft, der sowieso schon wenig Berührungspunkte mit Kunst hat, ist die Hürde dann noch größer.
LMS: Es gibt ja auch eine große Community um die Häuser herum. Wir alle arbeiten im Bereich Outreach auch mit den Jugendzentren, den Altenheimen, den Unis in der unmittelbaren Umgebung zusammen. Man muss das eher als verschiedene Kreise begreifen, die sich nach außen ausdehnen.
KR: Wir drei sind nicht hier, um ein klassisches Mitte-Publikum anzulocken. Wie Lisa und Anna sagen: Es liegt ein unglaubliches Potenzial in diesen Häusern. Die stark präsente jeweilige Geschichte führt auf eine sehr interessante Art zu großer Freiheit und dem Arbeiten um jeweils eine andere Mitte, wenn man so will. Denn man kann das, was man macht, viel konzentrierter angehen.
DM: Die Konzentration ist also vor allem auch auf die historische Dimension zurückzuführen, die einen Bezug fast erzwingt und dadurch auch die großen, abstrakten Fragen sofort sehr konkret und greifbar werden lässt?
AG: Diese Häuser bilden auf jeden Fall ein totales Gegenmodell zur Kunstwelt der Franchise-White-Cube-Modelle, also zu Museen, wie man sie überall auf der Welt aufmachen kann und in denen dann die immergleichen zehn weißen männlichen Künstler ausstellen, bis man nicht mehr weiß, wo man sich eigentlich gerade befindet. Unsere Häuser sind dagegen ganz spezielle Orte mit besonderer Geschichte. Das Haus am Waldsee war ursprünglich ein Wohnhaus. Für mich ist das immens wichtig. Denn mich interessieren die gelebten Realitäten hinter historischen Arbeiten, mich treibt die Frage um, wie Künstler*innen heute leben, wo der Strom herkommt, wo das Geld, wie die Angestellten bezahlt werden können, wie sich das Umfeld sichern lässt.
»Die Frage nach Verstetigung und nachhaltiger struktureller Veränderung ist eben auch immer eine der gegebenen Ressourcen.«—Lisa Marei Schmidt
CS: Ihr verfolgt alle drei einen dezidiert feministischen und diversen Ansatz, diskutiert dekoloniale Perspektiven. Verlangt das nicht eigentlich auch danach, nicht nur neue Formate zu schaffen, sondern die alten Strukturen selbst zu überdenken und aufzubrechen? Wie geht ihr damit um?
KR: Das ist ein ganz großes Thema, gerade auch bei mir. Lisa ist da am Brücke-Museum mit ihren Projekten und der Verbindung zwischen Ausstellungspraxis und wissenschaftlicher Aufarbeitung schon weiter. Wir fangen gerade erst an, die kunsthistorischen Grundlagen mit weiteren gesellschaftlichen Fragen und den stattfindenden Umbrüchen zu verbinden. Meine Vorgängerin Julia Wallner hat mir beispielsweise eine Art ›Antrittsgeschenk‹ gemacht: die Tagung ›Georg Kolbe im Nationalsozialismus‹, die sie mit Elisa Tamaschke, unserer Sammlungskuratorin, initiiert hat. Im Winter veröffentlichen wir jetzt den Tagungsband dazu. Auf einer komplexen und ambivalenten Geschichte und ihrer Aufarbeitung aufzubauen, ist etwas, das wir alle drei—und ich denke, ich kann hier für uns alle sprechen—anstreben, etwas, das wir stets mitdenken müssen: Wie lassen sich aus teils gewaltvollen Geschichten für unsere Institutionen Konsequenzen ziehen, um sie relevant für eine Zukunft voller Herausforderungen zu machen? Aber eben nicht nur programmatisch, sondern auch in den Strukturen.
CS: Aber wie kann so etwas denn konkret aussehen?
LMS: Genau diese Frage treibt mich gerade sehr um. Programmatisch haben wir am Brücke-Museum in den letzten fünf Jahren viel umgesetzt. Und jetzt kommen Organisationsentwicklung und Institutionsstruktur an die Reihe. Man kann die Baustellen, die man beim Antritt einer solchen Stelle erbt, ja nur Schritt für Schritt abarbeiten. Und jetzt, nach fünf Jahren, habe ich das Gefühl, endlich bei der Struktur angekommen zu sein. Wie lässt sich das bisher Erreichte denn nachhaltig verankern? Wie lassen sich die Inhalte, die wir erarbeitet haben, verstetigen? Wie kann sich das, was wir gemacht haben, im Leitbild der Institution niederschlagen, wie im Team, das sie trägt? Eben in der Struktur.
AG: Ich versuche die Ausstellungen zu nutzen, um zu überlegen, was sich daraus an Fragestellungen und Themen ans Haus und seine Struktur zurückspielen lässt. Ob das nun der Umgang mit Materialien ist, das Verhältnis zu anderen Menschen oder die Frage der Zugänglichkeit. Es geht dann auch immer darum, was eine Kunstinstitution überhaupt ist—und was sie tatsächlich leisten kann. Als letztes Jahr der Krieg in der Ukraine anfing, konnte ich in der Institution längst nicht so schnell reagieren, wie ich wollte. Da kommt dann schon die Frage auf, wie dehnbar man eigentlich ist. Wie lassen sich denn Strukturen schaffen, die flexibles Handeln und Reagieren ermöglichen? Vieles muss über Zusammenarbeit gehen, vor Ort in Berlin, aber auch international. Sonst kämpft jede*r nur für sich allein und am Ende machen dann alle mit viel Aufwand doch irgendwie nur das gleiche. Gerade über die strukturellen Fragen muss man zusammen nachdenken. Aber das geht nicht ohne das Inhaltliche, es ist unweigerlich miteinander verkoppelt. Denn es gibt ja nichts Schlimmeres, als programmatisch etwas in den Raum zu stellen, das sich strukturell nicht spiegeln lässt.
LMS: Nach der Ausstellung ist immer vor der Ausstellung. Wir sind in diesen strengen Rhythmus eingebunden, und wenn man so kleine Teams hat wie wir, dann sind viele Kapazitäten schon allein durch das Programm gebunden. Die Frage nach Verstetigung und nachhaltiger struktureller Veränderung ist eben auch immer eine der gegebenen Ressourcen.
AG: … und der geringen Mittel. Die Ziele mögen groß sein, aber man sieht sich ziemlich schnell mit der Problematik konfrontiert, dass man grade so die nächste Ausstellung finanzieren kann. Veränderung lässt sich insofern oft nur über das erreichen, was ohnehin gemacht werden muss. Man muss aus dem regulären Programm möglichst viel mitnehmen. Und dann wäre da die Frage, wie sich das, was da ist, überhaupt erstmal sichern lässt. Denn das ist einer stetigen Bedrohung ausgesetzt. Und wenn man sich in Sachen Fundraising alternativ aufstellen möchte—in welche Abhängigkeiten begibt man sich dann?
KR: Es ist auch ein großes Problem, dass alles immer projektorientiert organisiert ist. Wir stecken in Deutschland in Förderstrukturen fest, die auf alte Modelle ausgerichtet sind: eine Ausstellung dauert 3 Monate—warum nicht länger? Gelder müssen spartenorientiert über ein Jahr im Voraus beantragt werden—welche flexiblen Alternativen gäbe es? Projektstellen laufen über Kurzzeitverträge—welche längerfristigen Perspektiven gibt es für Kulturarbeiter*innen? Da ist es schwer, auf Institutionsebene flexibel aber auch nachhaltig zu arbeiten und die Dinge grundlegend neu zu gestalten. In meinen Augen ist das eine immense Herausforderung für die Stadtpolitik, aber auch für die bundesdeutsche Förderlandschaft.
AG: Berlin ist zudem ja auch schon lange nicht mehr die Stadt des bezahlbaren Wohnraums und der bezahlbaren Studios. Vielen Künstler*innen bricht gerade die Arbeitsgrundlage weg. Und in einer Institution ließe sich angesichts dessen schon auch die Frage stellen, ob sie den Künstler*innen nicht nur Ausstellungs- sondern unter Umständen auch Arbeitsräume bieten müsste.
CS: Das ist eine total spannende Idee, sicherlich auch für andere Kunstinstitutionen. Daran anschließend noch eine letzte Frage: Wie sieht eure Vernetzung untereinander aus? Ihr habt ja eine Radtour von Haus zu Haus im Programm. Plant ihr da noch mehr?
LMS: Ich würde sagen, da ist auf jeden Fall noch Luft nach oben, oder?
AG: Das Haus am Waldsee und das Georg Kolbe Museum machen nächstes Jahr ein Kooperationsprojekt: Wir zeigen Gisèle Vienne und im Georg Kolbe Museum wird eine von ihrer Praxis ausgehende Ausstellung über historische Puppenmacherinnen zu sehen sein, die daran anschließt. Aber gerade in den institutionellen Dingen kämpft man immer noch viel zu sehr alleine. Da können wir den Austausch definitiv noch intensivieren. Vielleicht müssen wir uns doch öfter mal hier am See zum Spazierengehen treffen.
Kathleen Reinhardt promovierte am Fachbereich Kunst Afrikas der Freien Universität Berlin. Seit Ende 2022 ist sie Direktorin des Georg Kolbe Museums. Zuvor war sie Kuratorin für Gegenwartskunst am Albertinum der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, wo sie Ausstellungen und Forschungsprojekte wie ›1 Million Rosen für Angela Davis‹ oder ›Revolutionary Romances. Transkulturelle Kunstgeschichten in der DDR‹ kuratierte und zentrale Sammlungsankäufe initiierte. Sie lehrte u.a. an der HBK Braunschweig, der Freien Universität Berlin und der Universität der Künste Berlin.
Lisa Marei Schmidt ist Kunsthistorikerin, Kuratorin und seit 2017 Museumsdirektorin des Brücke-Museums Berlin. Sie studierte in Marburg, Amsterdam und an der Humboldt Universität Berlin Kunstgeschichte und Neuere Deutsche Literatur. Zudem hat sie einen Master of Arts vom Royal College of Art in London. Zuletzt war sie als Kuratorin am Hamburger Bahnhof—Museum für Gegenwart Berlin tätig, wo sie u. a. die Ausstellungsserie ›A–Z. Die Sammlung Marzona“ (2014–2016) und die von der Dia Art Foundation organisierte Ausstellung ›Carl Andre: Sculpture as Place‹ kuratierte. Ihre Ausstellung ›Vivian Suter. Bonzo’s Dream‹ im Brücke-Museum wurde vom internationalen Kunstkritiker*innenverband AICA als ›Besondere Ausstellung 2020‹ ausgezeichnet.
Anna Gritz ist seit Juni 2022 Direktorin des Haus am Waldsee. Nach einem Studium der Kunstgeschichte arbeitete sie als Kuratorin u. a. an der South London Gallery, dem Institute of Contemporary Arts ICA und an der Hayward Gallery. Seit 2016 lebt Gritz in Berlin und verantwortete bis 2022 als Kuratorin der KW Institute for Contemporary Art eine Reihe vielbeachteter Einzelausstellungen, u. a. mit Steve Bishop, Sidsel Meineche Hansen, Judith Hopf, Lynn Hershman Leeson, Michael Stevenson und Amelie von Wulffen, sowie die Gruppenausstellungen ›The Making of Husbands: Christina Ramberg in Dialogue‹ (2019) und gemeinsam mit Kathrin Bentele und Ghislaine Leung ›Zeros and Ones‹ (2021). 2016 war sie kuratorischer Attaché der 20. Biennale von Sydney. Seit 2019 ist sie Mitglied der Ankaufskommission des FRAC Lorraine in Metz und sitzt im Beirat des E-Werks Luckenwalde.