Tatjana Doll

von 
Tatjana Doll, Theodor, 2010, aus der Serie „Kopfalphabet“. Foto: Bernd Borchardt; © Tatjana Doll / VG Bild-Kunst, Bonn, 2021

Die Künstlerin Tatjana Doll über Pfützen, Anwesenheit und Hi-Fi-Boxen

Woran arbeiten Sie gerade?
Am bewegten Baum als Camouflage.

Wer oder was hat Sie in Ihrer Arbeit beeinflusst?
Das Hineinschauen in Pfützen. Spiegel, Glanz, Projektion, Ausdünstung, Verschwinden.

Zu welchem Kunstwerk kehren Sie immer wieder zurück?
Der Prinz auf dem Pferd von Velásquez (›Porträt des Prinzen Balthasar Carlos zu Pferd‹). Die Abbildung der Malerei hatte mich in einem Buch—›100 Meisterwerke‹ oder sowas—fasziniert. Ich habe es aus reiner Gier mit Wasserfarben auf einem Din-A3-Blatt kopiert. Das habe ich noch. Ich war damals 12. Mit 23 Jahren war ich dann zum ersten Mal im Prado, ich erlebte eine überschreitende Aneignung in der Malerei, die mich thrillt. Die ursprüngliche Faszination galt dem Pferd, das durch die Miniaturlandschaft fliegt, dem Überwinden der Gravitation.

Was würden Sie machen, wenn Sie keine Kunst machen würden?
Ich würde malen.

Was lesen oder hören Sie gerade?
Ich lese, nun schon über einen längeren Zeitraum, die ›Studien über die Deutschen‹ von Norbert Elias, kürzlich dann ›Spitzenreiterinnen‹ von Jovana Reisinger—es interessieren mich hier die Zwänge. Nun bin ich bei Marcus Steinwegs neuem Buch ›Quantenphilosphie‹. Und hören: Robert Hoods ›Internal Empire‹, das ist aber schon uralt, von Madlib ›Sound Ancestors‹, so wunderbar und detailreich, und von Lil’ Kim ›9‹, wobei ich ›Hard Core‹ von ihr mehr liebe.

Was muss Kunst heute Ihrer Meinung nach können?
Anwesend sein, und dazu gehört Abwesenheit.

Welchem Aspekt der Prä-Pandemie-Welt weinen Sie eine Träne nach—und welchem nicht?
Eine Träne für das noch unbetreute Denken in der Zeit vor der Pandemie; und für den damals dröhnenden, flugzeugbevölkerten Himmel weniger eine Träne.

Wenn Sie Ihre Arbeit auf einen Begriff bringen müssten—welcher wäre das?
Mock-Up.

Haben Sie ein tägliches Ritual?
Jeden Abend sitze ich mit einem Glas Wein, höre meinen Tannoy Yorkminster [Hi-Fi-Boxen, Anm. der Red.] zu und verliebe mich erneut in die Menschheit.

Worauf freuen Sie sich in nächster Zeit im Kunst- und Kulturbereich?
Wieder Kunst und Kultur aufsuchen zu dürfen—ohne Timeslot, ohne Buchung, ohne Registrierung, ohne …

KINDL—ZENTRUM FÜR ZEITGENÖSSISCHE KUNST
Tatjana Doll. Was heißt Untergrund?
Maschinenhaus M2
19 SEP 2021—27 FEB 2022
Eröffnung 18 SEP, 14—22 Uhr

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