Verfall, Verlust, Vergeblichkeit

von 
Issy Wood, Study for then again 2, 2022 © Issy Wood 2024, courtesy the artist; Carlos/Ishikawa, London; and Michael Werner Gallery, New York. Photography by Stephen James

Issy Wood ist die Chronistin der kaputten Millennials. Jetzt zeigt der Schinkel Pavillon ihre erste Einzelausstellung in Deutschland.

Dieser Artikel erschien zuerst in dem Berlin Art Week 2025 Sonderheft des Monopol Magazins.

Issy Wood macht große Männer fertig. Etwa den Super-Produzenten und DJ Mark Ronson. Der nahm sie nur ein Jahr, nachdem sie angefangen hatte ihre Musik zu machen, unter Vertrag. Doch sie ließ ihn mitten in der Pandemie stehen. Genauso wie den Super-Galeristen Larry Gagosian, dessen Angebot sie gleich ablehnte und zum Abschied fragte, wer denn ihre Karriere weiterführen würde, wenn er tot sei. Als sie sich dann im Klo einschloss, um seiner Enttäuschung zu entkommen, schrieb er ihr eine SMS: »Die anderen Galerien, die du in Betracht ziehst, werden lange vor meinem Tod pleitegehen.« Gagosian liegt wahrscheinlich falsch. Mit Anfang dreißig ist Wood eine der erfolgreichsten und teuersten Künstlerinnen ihrer Generation. Und zeigt jetzt zur Art Week im Schinkel Pavillon mit Magic Bullet ihre erste Einzelausstellung in Deutschland.

Genauso wie in ihrem Leben, das von psychischen Problemen, Depressionen und Bulimie gezeichnet ist, pendelt auch in der Kunst der britisch-amerikanischen Malerin, Musikerin, Autorin, Bloggerin alles zwischen totaler Kontrolle und dem größten Kontrollverlust überhaupt, dem Tod. Perversen Realismus nennt der US-Kritiker
Barry Schwabsky ihre Malerei. In der rottet alles vor sich hin, Zähne, Haut, koffeinfreie Colabüchsen, Interieurs, Selbstporträts, Internet-Images.

Wood, die sich selbst als mittelalterliche Millennial bezeichnet, auf Secondhand-Möbel oder Samt malt, legt elegant Verfall, Verlust, Vergeblichkeit frei, um sie zu fetischisieren, natürlich nicht ganz ironiefrei. Aus einem Steuerknüppel und auf den Vordersitz geschmissenen Porzellanlämmern und Putten-Spardosen, Armaturen und Kunstleder bastelt Wood in ihrer Malerei einen Fucking joyride. Ein Stillleben, das nach sexueller Gewalt und Lebensmüdigkeit riecht, genau wie der Titel ihres vorletzten Albums: My Body Your Choice‹—oder vielleicht nur ein regressiver Witz ist.

Wood, die sich nicht fotografieren lässt und angeblich ihre Selbstporträts nicht verkauft, ist undurchschaubar. Scheue, komplizierte Malerinnen und Maler wie Victor Man oder Jana Euler haben es vorgemacht, dieses Hermetische, Geheimnisvolle, Kontrollierende, das in Spitzengalerien zu Hause ist, den Markt, die Industrie dabei irgendwie verachtet und ihn zugleich scharf macht. Wood erledigt das eleganter, härter, trotz der Schwere ihrer Bilder viel poppigerso auch in ihrer Ausstellung im Schinkel Pavillon. Die umfasst neben Malereien auch bemalte Musikinstrumente (Piano, Schlagzeug, Gitarre, Bass, Heftständer usw.) und eine Soundinstallationund trifft mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit wieder ins Schwarze, kill your Daddys!

›Issy Wood: Magic Bullet‹, Schinkel Pavillon, 11 SEP 2025—31 JAN 2026

Credits für Abbildungen: Or so I’ve heard, 2022; Speeding / losing my touch, 2022; 20mph, 2023; Look Ma, no cavities, 2023; Installation View: Furni, Carlos/Ishikawa, London © Issy Wood 2024, courtesy the artist; Carlos/Ishikawa, London; and Michael Werner Gallery, New York. Photography by Damian Griffiths

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