Entdeckungen kann man in Berlin eigentlich immer machen. Wenn also das Gallery Weekend Berlin, das vom 16—18 SEP in knapp 50 Galerien stattfindet, sich das zusätzliche Label *Discoveries gibt, scheint das erst einmal nichts Außergewöhnliches zu sein. Steht die Stadt nicht exakt für diese Fülle von Experimenten und Neuerungen?
Das Gallery Weekend Berlin, 2005 gegründet und seither ein Highlight des jährlichen Kalenders, funktioniert allerdings etwas anders. Die Kunst, die hier für gewöhnlich im Frühjahr präsentiert wird, orientiert sich nicht zuletzt am internationalen Publikum, das verlässlich zum angestammten Termin Ende April, Anfang Mai nach Berlin kommt. Viele der Ausstellungen waren deshalb von einer betörenden Wucht—aber eben auch etabliert. So wie die Einweihung neuer Räume der Konrad Fischer Galerie 2019 mit einer Ausstellung von Richard Long, einem Star der Land Art seit den 1960er-Jahren, oder die monumentalen Selbstporträts der Konzeptkünstlerin Cindy Sherman, die sich 2008 in der Galerie Sprüth Magers in unterschiedlichen Variationen einer alternden amerikanischen Lady inszenierte. Ein Statement stellte auch die Ausstellung der Galerie neugerriemschneider mit Skulpturen von Ai Weiwei 2011 dar—der Künstler selbst war damals ohne jeden Kontakt zur Außenwelt in Beijing inhaftiert.
Das Gallery Weekend Berlin hat seine Relevanz also längst bewiesen. Dieses Jahr geht es neue Wege. Es verdoppelt sich und institutionalisiert damit seinen Auftritt vom vergangenen Jahr, der coronabedingt in den Herbst verlegt worden war. Ein Stück weit füllt dieser zweite Termin im September nun jene Lücke, die das Ende der Kunstmesse Art Berlin nach 2019 hinterlassen hat. Und während »beim traditionellen Gallery Weekend Berlin im Frühjahr die Galerien ja meist ihre etablierten Künstler*innen zeigen, wollen wir beim zweiten Gallery Weekend Berlin etwas spielerischer vorgehen«, formuliert es die Direktorin Maike Cruse im Gespräch. *Discoveries sei als inhaltliche Klammer zu verstehen, die nicht einengen, sondern Impulse für Ideen liefern soll.
Was die einzelnen Galerien daraus machen, bleibt ihnen überlassen. Das Spektrum ist entsprechend breit gefächert und beginnt bei echten Newcomern wie Ruscha Voormann in der Galerie Crone oder Daniel Hölzl, Absolvent der Kunstakademie Weißensee, der bei Dittrich & Schlechtriem ebenso karge wie einprägsame visuelle und akustische Momente inszeniert. Es reicht über die New Yorker Künstlerin Megan Marrin bei Efremidis, deren eigenartige Apparate irgendwo zwischen Sanatorium und Folterkammer angesiedelt sind und als Bilder oder Skulpturen geradezu nach Berlin drängen, nachdem sie hier vor einigen Jahren ein einziges Mal in einer Gruppenschau der Galerie Max Hetzler zu sehen waren.
Max Hetzler selbst setzt auf die künstlerischen Schwergewichte Julian Schnabel und Matthew Barney—zwar eine Wiederkehr, denn Solopräsentationen dieser Künstler waren schon seit vielen Jahren nicht mehr in Berlin zu sehen, aber nicht unbedingt eine Entdeckung im Sinne des *Discoveries-Konzepts. Ohnehin ist das Label *Discoveries als Option gedacht, um einzelne Positionen zu präsentieren und gesondert hervorzuheben. So hat sich beispielsweise die Konrad Fischer Galerie dafür entschieden, mit den Wachs- und Blütenstaubkulpturen von Wolfgang Laib einen Klassiker zu präsentieren und ihm im Rahmen der *Discoveries-Reihe mit K.R.M. Mooney einen 1990 geborenen Bildhauer aus Seattle gegenüberzustellen, der in seinen architektonischen Interventionen gern mal Stahl mit Lavendelblumen kombiniert. Beim Kunsthandel Wolfgang Werner ist man dagegen auf die kluge Entscheidung verfallen, sich im Rahmen von *Discoveries auf Birgitt Bolsmann zu besinnen und mit ihr eine echte Wiedentdeckung zu präsentieren: eine Malerin, die in den 1970er- und 80er-Jahren tätig war.
Bolsmann und ihre Sujets, deren hyperdekorative Oberflächen die Ästhetik jener Zeit dekonstruieren, sind ein Signal dafür, wie weit sich die Klammer *Discoveries dehnen lässt. Es muss eben keinesfalls nur Material frisch von der Akademie sein. Die Galerie Ebensberger holt mit Philipp Gröning einen politischen Regisseur in die ehemalige Aussegnungshalle des Krematoriums in Wedding und lässt ihn hier sein VR-Setting ›Oktoberfest Phantom‹ installieren. Die taiwanesische Filmemacherin und Künstlerin Su Yu Hsin, die momentan in Berlin lebt, zeigt bei alexander levy eine essayistische Videoinstallation, in der es um die Beziehungen zwischen Ökologie, Technologie und geografischem Wissen geht. Auch das zählt zu den Entdeckungen des Gallery Weekend Berlin, das sich vermehrt den politischen wie sozialen Bedingungen jenseits der Kunstproduktion widmet. *Discoveries sind der Anfang dafür: Ab jetzt, erklärt Cruse, sollen im Herbst kontinuierlich jeweils »andere Themen und eventuelle Erweiterungen« entwickelt werden.
Gallery Weekend *Discoveries
Besucher*innentage
17—18 SEP, 11—19 Uhr
Zum ausführlichen Programm aller Galerien des Gallery Weekend *Discoveries auch hier.